Mit ihrer Neuverschuldung bezwingen japanische Unternehmen die Deflation. Das ist gut für japanische Aktien, aber schlecht für den Yen
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- Die seit 2012 anhaltende Neuverschuldung japanischer Unternehmen fasst offenbar weiter Fuß. Mittlerweile hat sie sich auf 2% des BIP beschleunigt und markiert damit eine Wende im Trend des unerbittlichen Schuldenabbaus japanischer Unternehmen in den Jahren zuvor.
- Der steigende Fremdkapitalbedarf der Unternehmen in Japan entwickelt sich zunehmend zu einem Schlüsselfaktor, der dafür sorgt, dass sich die Inflation in der japanischen Wirtschaft festsetzt. Denn die Ausgaben der Privathaushalte lassen weiter zu wünschen übrig und reagieren empfindlich auf Steuererhöhungen.
- Auch für Aktionäre könnte der Aufbau neuer Schulden in den Firmenbilanzen unter der Prämisse vorteilhaft sein, dass damit die Inflationserwartungen steigen und der Anreiz sinkt, Barmittel zu horten. Anleger können dann mit höheren Barrenditen in Form von Dividenden rechnen. Die negativen Realzinsen für Unternehmenskredite dürften überdies zu weiterer Kreditaufnahme ermuntern und so zur Optimierung der Kapitalstruktur japanischer Unternehmen beitragen.
- Hält der Preisauftrieb getragen von der Binnennachfrage auch dann an, wenn die Bank von Japan ihr quantitatives Lockerungsprogramm (QE-Programm) beendet hat und die Realzinsen in Japan wieder sinken, könnte sich die durch die Fundamentaldaten bedingte Yen-Schwäche fortsetzen. Auch von der in den USA drohenden Zinswende dürfte weiterer Abwärtsdruck auf den Yen gegenüber dem US-Dollar ausgehen.
- Die Bereitschaft japanischer Unternehmen, Kredite aufzunehmen und zu investieren, schafft insgesamt solide Rahmenbedingungen für japanische Aktien. Sie heizt zudem die Inflation an, sodass es für Anleger angesichts der damit möglicherweise verbundenen Yen-Abwertung ratsam sein könnte, ihr Fremdwährungsengagement in japanische Aktien gegen nachteilige Wechselkurseinflüsse abzusichern.
Die Auswirkungen der Mehrwertsteuererhöhung im letzten Jahr zeigen überdeutlich, dass die Möglichkeiten der Regierung zur Haushaltskonsolidierung an ihre Grenzen stoßen. So waren in Erwartung der Mehrwertsteueranhebung um 3% auf 8% im April 2014 die Einzelhandelsumsätze noch im ersten Quartal um 4,7% nach oben geschnellt. Nach der Steuererhöhung brachen sie im zweiten Quartal um 5,4% ein. Hieran wird deutlich, dass die Konsumenten in Japan, seit über zehn Jahren an fallende Preise und Löhne gewöhnt, ihre Ausgaben im Nu wieder drastisch drosseln und damit die Anstrengungen der Bank von Japan zum Ankurbeln der Inflation konterkarieren können. Aber während das Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren hauptsächlich von den quantitativen Lockerungen und kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen getragen wurde, werfen die Unternehmen nun ihr Gewicht wieder stärker in die Waagschale und tragen seit einigen Jahren wieder stärker zum Wirtschaftswachstum bei. Künftig könnte ihnen sogar die Schlüsselrolle bei der Wiederbelebung der Inflation zukommen.
Neuverschuldung in den Unternehmensbilanzen
Aus Grafik 1 geht der Wiederanstieg der Verschuldung in den Bilanzen japanischer Unternehmen seit 2012 hervor, nachdem das Platzen der Blase am Aktienmarkt Ende der 1980er Jahre und der anschließende Zusammenbruch der Immobilienpreise ein mehr als zehn Jahre dauerndes Abtragen des Schuldenberges japanischer Unternehmen in Gang gesetzt hatte. Versuche japanischer Firmen, ihren Fremdkapitalanteil 2006 wieder anzuheben, scheiterten mit der Finanzkrise 2008, die das Bankensystem erschütterte, und der Tsunami-Katastrophe 2011, als weite Teile der Infrastruktur des Landes zerstört wurden. Erst in den letzten Jahren werden Nippons Unternehmen durch die allmähliche wirtschaftliche Erholung und das sich aufhellende Geschäftsklima ermuntert, wieder mehr Kredite aufzunehmen. Wie die Grafik zeigt, hat sich die Neuverschuldung seit 2012 beschleunigt und übersteigen die Bankkredite an kleine und mittlere Unternehmen die Tilgungen von Anleihen ihrer großen Wettbewerber. Seit 2012 haben japanische Unternehmen unter dem Strich zwar Anleihen im Wert von 68 Mrd. USD zurückgezahlt. Im gleichen Zeitraum aber reichten Banken fast das Vierfache an Unternehmenskrediten aus. Ferner geht aus der April-Umfrage der Bank von Japan bei leitenden Kreditsachbearbeitern hervor, dass die gestiegene Kreditvergabe nicht nur auf einen höheren Bedarf an Betriebskapital oder sinkende Zinsen zurückzuführen, sondern zunehmend auch dem höheren Investitionsbedarf geschuldet ist.
Neuverschuldung der Unternehmen schafft Mehrwert für Aktionäre
Sollten sich die langfristigen Investitionsentscheidungen in einer verstärkten Kreditaufnahme der Unternehmen niederschlagen, dürfte sich das auch in Form fester verankerter Inflationserwartungen in Japan bemerkbar machen. Dies wiederum könnte Unternehmen den nötigen Anreiz geben, ihre angehäuften Barreserven zu investieren und damit Mehrwert für ihre Aktionäre zu schaffen. Welche immensen Cash-Bestände japanische Firmen in der jüngsten Vergangenheit angesammelt haben, wird aus dem Kapitalflussbericht der Bank von Japan ersichtlich. Seit 2012 sind die Barmittel in den Bilanzen japanischer Unternehmen um weitere 30 Bill. Yen (240 Mrd.USD [1]) zusätzlich zu den bereits im Dezember 2011 vorhandenen liquiden Mitteln in Höhe von 223 Bill. Yen (2,7 Bill. USD [2]) gewachsen. Gleichzeitig summierten sich die ausländischen direkten und indirekten Investitionen auf nur 28 Bill. Yen (225 Mrd. USD [3]). In einem deflationären Umfeld war die Anhäufung solch hoher Barmittel aus unternehmerischer Sicht sinnvoll. Aber die Aussicht auf ein von der Binnennachfrage getragenes Wachstum mit sich verfestigender Inflation im Gepäck wird die Firmenentscheider vermutlich dazu veranlassen, ihre Dividendenpolitik zu überdenken und ihren Aktionären künftig höhere Renditen zu bieten. Das hiermit einhergehende Potenzial zur Steigerung des Werts für die Aktionäre ist nicht zu unterschätzen, hält man sich die negativen Auswirkungen des Hortens von Barmitteln auf die Aktionärsrenditen vor Augen. So weisen beispielsweise große japanische Aktienunternehmen gemessen an den MSCI Aktienindizes eine Eigenkapitalrendite (ROE) von nur 8% auf, die damit deutlich unter den an den meisten europäischen und amerikanischen Aktienmärkten üblichen zweistelligen ROEs liegt.
Mit rund 2% des BIP hat die Neuverschuldung japanischer Unternehmen ein Niveau erreicht, das fast dem ihrer gehorteten Barmittel entspricht. Die Neuverschuldung könnte also durchaus weiter steigen, denn bisher haben sich durch sie weder die Bonitäts- noch die Liquiditätskennzahlen verschlechtert. Derzeit liegen die Zinsen für Bankkredite bei rund 1,1% und bewegen sich damit nicht nur nominal auf historisch niedrigen Niveaus, sondern auch real betrachtet weit unter der Inflationsrate (im Sommer 2013 ist die jährliche Teuerungsrate in den Positivbereich zurückgekehrt und steigt seitdem unaufhörlich an). Daher bietet die gesamtwirtschaftliche Lage nun neben langfristig günstigen Finanzierungsbedingungen für Wachstum und Investitionen derzeit wohl auch den stärksten Anreiz für Unternehmen, ihre Verschuldung noch stärker auszuweiten und ihre Kapitalstruktur weiter zu optimieren.
Auch nach dem QE-Ausstieg anhaltender Preisauftrieb hält den Yen in Schach
Als Japan seine Nullzinspolitik in Angriff nahm und den Startschuss für sein erstes umfassendes QE-Programm gab, hatten sich gewerbliche Kreditnehmer bereits seit Längerem quasi vom Markt verabschiedet. Ihre Neuverschuldung mausert sich inzwischen zu einer treibenden Kraft für die „Abenomics“ getaufte Wirtschaftspolitik von Ministerpräsident Abe und scheint nun endlich einen dauerhaften Wiederanstieg der Inflation bewirkt zu haben. Seit 2014 jedenfalls verharren die tatsächliche und die implizite Inflation de facto bei um die 2%, wie Grafik 2 verdeutlicht. Und das in einer Zeit, in der zwei zentrale gesamtwirtschaftliche Trends, nämlich der Ölpreiseinbruch und die Yen-Abwertung, einem Anstieg der Verbraucherpreise eigentlich entgegengewirkt haben könnten. Sollte der Inflationsanstieg der letzten Jahre also tatsächlich in verstärktem Maße der steigenden Binnennachfrage in Japan zuzuschreiben sein und sich weniger beeindruckt von den Schwankungen an den Rohstoffmärkten und im Handel gezeigt haben, dürfte damit die Inflation auf einer deutlich solideren Grundlage fußen und somit von Dauer sein.
Die Ironie dabei: Angesichts sich verfestigender Inflationserwartungen in Japan von um die 2%, die in etwa dem Preisauftrieb in den USA entsprechen, könnte selbst vom Ausstieg der japanischen Notenbank aus ihrem QE-Programm Rückenwind für den Yen ausbleiben. Vielmehr dürfte der Abstand zwischen den Realzinsen in den USA und Japan größer werden, da infolge der steigenden Inflation in Japan die Zinsen inflationsbereinigt sinken, während sie in den USA durch den Beginn der Zinswende steigen werden. Das sorgt auch weiter für schwache Fundamentaldaten beim Yen verglichen mit dem US-Dollar. Damit könnte der Abwertungsdruck auf den Yen selbst dann anhalten, wenn Japan sein quantitatives Lockerungsprogramm längst beendet hat.
Ausländische Anleger, die den Ausblick für Japan optimistisch einschätzen, sollten bei ihren Entscheidungen daher das Risiko einer Yen-Abwertung berücksichtigen. Letztere kann die Rendite aus einer Anlage in japanische Aktien beim Umtausch in die jeweilige Landeswährung empfindlich schmälern.
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[1] Basierend auf den USD/JPY-Kassawechselkursen vom 31. Mai 2015.
[2] Basierend auf den USD/JPY-Kassawechselkursen vom 31. Dezember 2011.
[3] Basierend auf den USD/JPY-Kassawechselkursen vom 31. Mai 2015.
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