OPEC: Déjà-vu – nein, danke!
Der Preis für die Erdölsorte Brent ist im vergangenen Monat um 23 % gefallen. Ausgelöst wurde der Preisverfall durch Befürchtungen eines Überangebots auf dem Ölmarkt. Sein Eintreten war so plötzlich wie der Absturz vom November 2014, dass es schon fast unheimlich ist. Jedoch wird die Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC) bei ihrem Treffen am 6. Dezember 2018 unseres Erachtens handeln, um den Verfall aufzuhalten, was 2014 nicht der Fall war. Der Zeitraum 2014–2016 war für das Kartell so schmerzhaft, dass es wohl kaum eine Rückkehr in eine Ära der schwachen Preise anstreben wird. Auch stehen die heutigen Ereignisse in einem vollkommen anderen Zusammenhang. 2014 sorgte die OPEC absichtlich für einen Preisverfall, um die USA und andere Produzenten zu brüskieren, deren Förderkosten über denen der OPEC liegen. Dieses Mal scheinen die schwachen Preise hauptsächlich auf die Produktionsausweitung in den USA zurückzuführen zu sein. Die Ereignisse von 2014 haben gezeigt, dass es der OPEC nicht gelungen ist, ein Produktionswachstum in den USA zu verhindern. Die OPEC hat daraus ihre Lehre gezogen. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass sie die Fördermengen weiterhin auf einem hohen Niveau halten will, um ihren Marktanteil zu sichern. Stattdessen wird sie versuchen, höhere Preise zu erzielen, um Staatseinnahmen zu sichern.
Eine Situation, zu der keiner zurückkehren will
Der Zusammenbruch der Ölpreise, der in der zweiten Jahreshälfte 2014 seinen Anfang nahm, schadete den Haushaltssalden der OPEC-Mitgliedsstaaten, deren Regierungen von den Erdölerträgen in hohem Maß finanziell abhängig sind. Trotz der Sparmaßnahmen in den folgenden Jahren kam es erst zu einer deutlichen Entspannung im Haushalt dieser Länder, als sich die Ölpreise 2017 wieder erholten.
Haushaltssalden ausgewählter OPEC-Staaten
Quelle: IWF, WisdomTree, Daten verfügbar bis Schlusskurs vom 27. November 2018
Die Prognosen sind kein Indikator für die zukünftige Performance und alle Investments beinhalten Risiken und Unsicherheiten.
USA sind für den heutigen Preisverfall verantwortlich
In den USA wird die Ölproduktion mit hoher Geschwindigkeit ausgeweitet, was eine Senkung der weltweiten Ölpreise zur Folge hat. Obwohl durch den Preisrückgang von 2014 auch die Anzahl der Ölförderanlagen sank, führte ein Fokus auf Kostenkontrolle und auf die Verbesserung der Effizienz bei den Förderanlagen 2016 wieder zu einer Produktionsausweitung. Die USA produzieren mehr Öl denn je und sind heute der größte Rohölproduzent der Welt. Im Vergleich zum Spitzenwert von 2014, wurde dies mit 45 % weniger Förderanlagen erreicht.
US-Ölproduktion: Motor für das globale Wachstum
US-Ölproduktion: Motor für das globale Wachstum
Die historische Performance ist kein Anhaltspunkt für die künftige Performance und jedes Investment kann im Wert sinken
Erhöhung der Fördermengen andernorts nicht tragbar
Wie wir in unserem Blogartikel Eingeschränkte Investitionen in Erdöl und Erdgas könnten auch in Zukunft für Knappheit sorgen, argumentierten, haben nur die USA in den letzten Jahren deutlich in Öl investiert. Obwohl es in Saudi-Arabien, Russland, Libyen und Nigeria in den letzten Monaten zu zeitweiligen Erhöhungen der Fördermengen gekommen ist, bezweifeln wir, dass diese Quellen ohne neue Investitionen stabil bleiben werden. Hinzu kommt, dass das Angebot aus Venezuela und dem Iran rückläufig ist.
Unterschiede bei der OPEC-Ölproduktion im Jahresvergleich
Quelle: Bloomberg, WisdomTree, Daten verfügbar bis Schlusskurs vom 27. November 2018
Die historische Performance ist kein Anhaltspunkt für die künftige Performance und jedes Investment kann im Wert sinken
Trumps Haltung völlig realitätsfern
Angesichts der wichtigen Rolle, die Öl heute wieder in der US-Wirtschaft spielt, könnte man annehmen, dass die politischen Entscheidungsträger in den USA hohe und stabile Preise begrüßen würden. Doch stattdessen drängt US-Präsident Trump die OPEC darauf, die Ölproduktion beim nächsten OPEC-Treffen nächste Woche nicht zu senken. Trump scheint die Unternehmens- und Konsumausgaben in den USA durch schwache Ölpreise ankurbeln zu wollen. Obwohl schwache Preise ein Zurückfahren der Produktion begünstigen könnte, um das Überangebot an US-amerikanischem Öl auszugleichen, wird derzeit die Infrastruktur errichtet, um das Überangebot aufzufangen. Eine plötzliche Preisschwäche könnte diese Bemühungen beeinträchtigen und die Energierevolution rund um Schieferöl, die wir derzeit miterleben, vorzeitig beenden.
Trump ist einer der wenigen, der Mohammed bin Salman bin Abdulaziz Al Saud (MbS), den Kronprinzen Saudi-Arabiens, nach dem Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi verteidigt hat. Seine Unterstützung könnte sich jedoch in Luft auflösen, sollte Saudi-Arabien sich seinem Druck nicht beugen, die Produktion auf dem derzeitigen Niveau zu halten. Saudi-Arabien erhöhte die Produktion nach dem letzten OPEC-Treffen, als die Gruppe sich von den Zielvorgaben für einzelne Länder löste, um den Produktionsrückgang in Venezuela auszugleichen. Das Land produziert heute so viel Öl wie noch nie. Wahrscheinlich wird es realisieren, dass seine derzeitigen Fördermengen zu hoch sind. Um die OPEC weiterhin als relevante Organisation – als Bastion des Marktgleichgewichts – zu führen, gehen wir davon aus, dass Saudi-Arabien die Produktion zurückfahren wird. Eine Produktion auf einem solch hohen Niveau ist ohne neue Investitionen nicht langfristig tragbar und Investitionen sind bei schwachen Preisen schwer umzusetzen. Sollte Saudi-Arabien die Gruppe dazu drängen, die Fördermengen nicht zu senken, wird das Land zu Recht eines politische Schachzugs beschuldigt werden, was zur Spaltung der Gruppe führen könnte. Die Politik soll bei den Treffen des Kartells außen vor bleiben und wir bezweifeln, dass Saudi-Arabien die Institution gefährden möchte, nachdem es eine erweiterte OPEC ausgehandelt hat (u. a. Abkommen, durch die sich zehn Nicht-Mitgliedsstaaten an den Förderbeschränkungen beteiligen).
G20-Gipfel: Chance auf Nebenabsprachen
Der heute (Freitag, 30. November 2018) und über das Wochenende stattfindende G20-Gipfel könnte als ideale Möglichkeit für Einigungen noch vor dem OPEC-Treffen dienen. Der Markt rechnet bereits mit Handelsabkommen zwischen den USA und China, um dem Anstieg des Protektionismus entgegenzuwirken, den wir im vergangenen Jahr beobachten konnte. Dies könnte einen Teil der Besorgnis um einen Rückgang der Energienachfrage aus China ad acta legen. Trump könnte auch seine Haltung gegenüber Saudi-Arabien lockern. Darüber hinaus wird erwartet, dass die Energieminister sowohl Saudi-Arabiens (größter OPEC-Mitgliedsstaat) als auch Russlands (größter OPEC-Partner) an dem Gipfel teilnehmen werden. Das Zusammentreffen dieser beiden Energieminister ließ bereits in der Vergangenheit den Ausgang der OPEC-Abkommen erahnen. Es ist wahrscheinlich, dass höhere Preise den Interessen beider Länder zuträglicher sind als die Hoffnung auf einen höheren und unhaltbaren Marktanteil.
Fazit
Unseren Erwartungen nach wird die OPEC die Fördermengen senken, um den rückläufigen Preisen entgegenzuwirken. Schwache Preise waren in der Vergangenheit eine zu schmerzliche Erfahrung. Hohe Produktionsmengen durch die Gruppe scheinen zum heutigen Zeitpunkt untragbar. Obwohl das größte Mitgliedsland unter dem politischen Druck durch die USA steht, die Fördermengen auf dem aktuellen Niveau zu halten, erwarten wir nicht, dass Saudi-Arabien in dem Kartell aus der Reihe tanzen wird, nachdem es so hart an der Aushandlung von Abkommen zwischen der OPEC und Nicht-OPEC-Ländern gearbeitet hat.