Sayonara Abenomics? Nicht so hastig
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Die allgemeine politische Stabilität in Japan und Premierminister Abes starke Machtposition bilden für viele Investoren das Herzstück der These über eine aufstrebende japanische Wirtschaft. „Team Abe“ hat eine grundlegend wachstumsfördernde und unternehmensfreundliche Tendenz gezeigt und kann im Rahmen der endgültigen Analyse eine gute Bilanz darin vorweisen, Dinge zu Ende zu bringen. Leider hat sich die „Moritomo-Affäre“ in den letzten Tagen auf eine Weise entwickelt, dass sie der unangefochtenen Amtszeit Abes als Premierminister ein Ende setzten könnte. Obwohl es unserer Ansicht nach wahrscheinlicher ist, dass Abe die Angelegenheit überstehen wird als nicht, ist die Bedrohung für Abe groß genug, um mögliche Szenarien eines Japans ohne Abe durchspielen zu müssen.
Doch zuerst die gute Nachricht. Tatsache ist, dass im Moment keine wichtigen wirtschaftspolitischen Probleme anstehen. Die Fiskalpolitik befindet sich auf Kurs zu einem moderaten Aufschwung bei der Inlandsnachfrage – ein Nachtragshaushalt wurde Anfang dieses Jahres im Parlament ratifiziert und dem Haupthaushalt für das Geschäftsjahr 2018 wurde am 28. Februar im Unterhaus zugestimmt (d. h. er wird zu Beginn des neuen Geschäftsjahrs am 1. April automatisch Gesetz, auch wenn sich die Beratungen im Oberhaus verzögern). Es besteht also kein Risiko auf eine Stilllegung der Regierung. Auch die Geldpolitik verzeichnet eine stabile Bilanz, da der Gouverneur der Bank of Japan, Kuroda, und zwei neue Stellvertreter bereits vom Parlament genehmigt wurden.
Der große wirtschaftliche Punkt auf der Agenda war für „Team Abe“ 2018 die Arbeitsmarktreform, diese wurde jedoch aufgrund der internen Opposition durch die LDP zunichte gemacht. Abgesehen davon steht nichts anderes auf der Tagesordnung. Aus wirtschaftspolitischer Sicht begrenzt die Tatsache, dass es im Rahmen der „Abenomics“ momentan keine konkrete Agenda gibt, den wirtschaftlichen Schaden, falls die Regierung zu Fall gebracht oder umgebildet werden sollte – traurig, aber wahr. Im Klartext bedeutet dies, dass die japanische Wirtschaft auf Autopilot gestellt ist.
Die schlechte Nachricht ist, dass es (aus Investorensicht) fast unmöglich sein wird, „Team Abe“ zu übertrumpfen. Sollte sich Abe zum Rücktritt gezwungen sehen – woran ich zu diesem Zeitpunkt nicht glaube –, wird die LDP zur Wahl einer de facto geschäftsführenden Regierung gezwungen sein, die zwar aus LDP-Mitgliedern bestehen wird, die aber nicht durch die Öffentlichkeit legitimiert sind (Parlamentswahlen werden jedoch nicht notwendig sein).
Im Gegensatz zu Abe, der, gemeinsam mit einer ausgewählten Gruppe seiner engsten Freunde, jahrelang von einer mächtigen Kombination aus wichtigen Wirtschaftsführern, Medienmagnaten und Elite-Technokraten gefördert worden war, wird die direkte nächste Generation an LDP-Führungskräften weder von mächtigen Hintermännern noch von vertrauenswürdigen Machtnetzwerken unterstützt.
Man sollte nicht vergessen, dass Abe als Gegenangriff entwickelt wurde, um zu Hause Macht von den Demokraten sowie das Vertrauen Amerikas als ebenbürtiger strategischer Partner zurückzugewinnen. (China hatte gerade damit begonnen, Gebietsansprüche auf die Senkaku-Inseln geltend zu machen.) Es war kein Zufall, dass „Team Abe“ nach seiner Wahl eine aggressive Marketing- und Branding-Kampagne startete, die das Interesse der Welt fesselte – die sogenannten „Abenomics“ –, und sofort eine Strategie wichtiger personeller Veränderungen in wichtigen Ministerien umsetzte.
Vor dem Hintergrund dieser proaktiven Vorbereitung und breit aufgestellten Unterstützung sehen Abes Nachfolger blass aus. Es mangelt ihnen nicht nur an einer Agenda, sondern auch an zuverlässigen Netzwerken in den mächtigen Eliten des japanischen privaten Sektors. Im Gegensatz zu Abe werden sie hauptsächlich von Technokraten, nicht von führenden Persönlichkeiten und Unternehmern aus dem privaten Sektor beraten.
Bei den wahrscheinlichsten Herausforderern/Nachfolgern aus der LDP handelt es sich um Fumio Kishida (60) und Shigeru Ishiba (61). Ishiba war früher Verteidigungsminister und ist starker Befürworter einer Verfassungsreform, Kishida war hingegen früher Außenminister und ist derzeit Vorsitzender des politischen Forschungsrats der LDP. Keiner der beiden steht für starke wirtschaftspolitische Meinungen oder Ideen und vor allem sind beide dafür bekannt, dass sie zum Thema Wirtschaftspolitik hauptsächlich auf den Rat von Elite-Technokraten angewiesen sind.
Spekulationen über das Aufkommen einer möglichen neuen Generation Samurai (wie Ex-Premiers Koizumis Sohn Shinjiro Koizumi (36)) sind meiner Meinung nach hingegen verfrüht. Abes langjährige Amtszeit hat bei vielen LDP-Mitgliedern der alten Generation zu einer tiefen Verwurzelung geführt und jüngere Herausforderer werden auf aggressive Weise in ihre Schranken gewiesen.
Eine erzwungene Auflösung von „Team Abe“ würde meiner Meinung nach höchstwahrscheinlich dazu führen, dass sich Japan in einer Situation ohne wachstumsfördernde oder unternehmensfreundliche Agenda wiederfinden würde. Der Base Case wäre eine technokratische „geschäftsführende“ Agenda, bei der man sich auf die Gewinnung der Unterstützung durch Interessengruppen konzentriert – schließlich wird es zu Neuwahlen kommen, anstatt zu einer neuen Agenda, die das Interesse und die Träume globaler und lokaler Investoren weckt.
Warum werden die „Abenomics“ überleben?
Die einfache Antwort ist: wegen der machiavellischen Instinkte der LDP. Die Regierungspartei weiß, dass sie nicht bereit ist für eine Welt ohne Abe. Sie weiß, dass die aktuelle Zweidrittelmehrheit im Parlament verloren ginge, wenn Abe jetzt von Bord ginge. Und meiner persönlichen Meinung nach sind die Hauptanwärter clever genug, um nicht aus einer geschwächten Position heraus starten zu wollen. Natürlich ist alles offen, falls Abe für schuldig befunden wird, die Vertuschung angeordnet zu haben, die Offizielle des Finanzministeriums in den letzten Tagen eingeräumt haben.
Wenn die Technokraten jedoch bei dem Versuch, Vorgesetzten gefällig zu sein, allein gehandelt haben, indem Sie eventuell peinliche „Fakten“ entfernten – eine Praxis, die in der japanischen Kultur „Sontaku“ genannt wird (seinem Vorgesetzten durch „Befolgen eines Befehls, der nicht erteilt wurde“ gefällig sein) –, bestätigt der Schaden, dass in der japanischen Politik und Verwaltung dringend eine eigene „Governance-Reform“ vonnöten ist. „Sontaku“ mag Tradition sein, die Praxis steht jedoch den grundlegendsten Prinzipien guter Governance, Rechenschaftspflicht und Transparenz entgegen. Sein tief verwurzelter Glaube an die Übermacht traditioneller japanischer Werte wird Abe dieses Mal vielleicht ironischerweise retten, doch letztendlich wird das „Sontaku-Problem“ gelöst werden müssen, um das Vertrauen in seine Regierung wiederaufzubauen.
Investmentauswirkungen: Obwohl es sich bei der „Moritomo-Affäre“ um mehr als einen Sturm im Wasserglas handelt, untergräbt sie das Hausse-Argument für Japan lediglich in struktureller Hinsicht, sollte „Team Abe“ zu einem verfrühten Ende gezwungen sein. Dies ist zu diesem Zeitpunkt meiner Meinung nach unwahrscheinlich.
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