Die (Sieben-) Billionen-Dollar-Frage: Kommt es zu einem Anstieg der Inflation?
Derzeit erwarten die Märkte nicht, dass die Inflation die Zielwerte der Zentralbanken in den nächsten zehn Jahren erreichen wird. Die US-amerikanische Breakeven-Inflationskurve zeigt die Höhe der Inflation, die in US-Staatsanleihen für unterschiedliche Laufzeiten – bzw. zukünftige Jahre – eingepreist wird. Aus Abbildung 01 ergibt sich der entscheidende Punkt, dass die Inflationserwartungen seit Jahresbeginn über die gesamte Kurve hinweg gesunken sind. Darin spiegelt sich wider, wie der Markt den langfristigen Schaden für die US-Wirtschaft durch die Pandemie beurteilt.
Quelle: WisdomTree, Bloomberg. Stand der Daten: 30.06.2020.
Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Maßstab für zukünftige Ergebnisse und der Wert von Anlagen kann fallen.
Warum ist die Inflation dann in aller Munde?
Ein Grund dafür, dass die Anleihenmärkte nach Ansicht der Investoren bei den Inflationsaussichten falsch liegen könnten, sind die Auswirkungen der akkommodierenden Ausrichtung der US-Notenbank (Fed). Abbildung 02 zeigt, wie stark die Bilanz der Fed in diesem Jahr aufgrund der umfangreichen Anlagenkäufe angewachsen ist. Ein solch aggressives Entgegenkommen durch die Fed war auch in der weltweiten Finanzkrise von 2008 zu beobachten. Die Inflation stieg wieder an, jedoch in moderater Höhe. Die Versuche der Fed, in den folgenden Jahren eine Verschärfung der Geldpolitik durchzusetzen, traf auf den Märkten auf starken Widerstand, d. h., der mögliche Liquiditätsentzug versetzte den Markt in eine kollektive Panik.
Deshalb setzte die Fed die Erweiterung ihrer Bilanz in den Jahren nach der Krise fort. Ihre Bilanz ist von weniger als einer Billion USD im Jahr 2008 auf mehr als sieben Billionen USD im Juli 2020 angewachsen. Trotz der hohen Liquiditätszufuhr seit der weltweiten Finanzkrise hat die Inflation keine sehr hohen Stände erreicht. Liquidität allein wird wahrscheinlich auch in Zukunft nicht ausreichen, um hohe Inflationsraten zu verursachen.
Quelle: WisdomTree, Bloomberg. Stand der Daten: 30.06.2020.
Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Maßstab für zukünftige Ergebnisse und der Wert von Anlagen kann fallen.
Zeichnen wir das Szenario einer Inflation
Wir möchten eine mögliche Kombination von Faktoren ansprechen, die 2021 voraussichtlich für einen Inflationsanstieg sorgen könnte. Nehmen wir an, dass ein wirkungsvoller Impfstoff entwickelt und weit verbreitet wird, durch den die Pandemie zu Beginn des neuen Jahres so gut wie vorüber ist. Wir kehren zur alten Normalität zurück. Ein Großteil der Arbeitsplätze, die in diesem Jahr verloren gingen, kommt wieder hinzu. Die sogenannte „aufgestaute“ Nachfrage, die sich durch eine Vermeidung von Ausgaben in diesem Jahr ergibt, sorgt im nächsten Jahr für eine durch einen Nachfrageüberhang ausgelöste Inflation. Durch einen Anstieg der Wirtschaftstätigkeit könnten die Energiepreise wieder auf die Niveaus von vor der Pandemie steigen und zu einer Kostendruckinflation führen. Weitere Unterstützung könnte sich ergeben, wenn die Regierungen ihre Versprechen in die Tat umsetzen und das Wachstum mit Infrastrukturausgaben fördern.
Bei dem obigen Szenario handelt es sich jedoch nicht um unser Basisszenario. Hinter mehreren der oben genannten Variablen stehen Fragezeichen. Es wurde noch kein Impfstoff entwickelt und die Energienachfrage ist noch weit davon entfernt, dass die Ölpreise auf die Stände von vor der Pandemie zurückkehren. Ebenso wird die Arbeitslosenquote aufgrund von Konkursen und langfristigen Schäden für Unternehmen nur langsam sinken. Der Punkt, an dem wieder ein Lohndruck einsetzt, liegt noch in weiter Ferne. In unserem Basisszenario erwarten wir, dass die Inflation 2021 moderat steigen und in den USA um die Jahresmitte 1,5 % erreichen wird. Dies ist der Prognose des Internationalen Währungsfonds sehr ähnlich.
Gold ist eine weitere traditionelle Inflationsabsicherung. Da Papierwährungen durch Inflation entwertet werden, gilt Gold unter den Investoren als besserer Vermögensspeicher. Der Kompromiss gegenüber breiten Rohstoffen besteht darin, dass den Investoren die Vielfalt eines Korbs verloren geht, sie aber eine gute Absicherung gegen einen Abschwung auf dem Finanzmarkt oder eine Verschlechterung des makroökonomischen Umfelds erzielen. Gold ist breiten Rohstoffen auch in Zeiten einer hohen Inflation überlegen, da es wahrscheinlich ist, dass sich ein solches Szenario aus geldpolitischen Fehlern ergibt, und damit den Besitz von Währungen für die Investoren noch zusätzlich unattraktiv macht.
Angesichts eines Preisanstiegs von fast 17 % seit Jahresbeginn2 scheinen die Goldmärkte im Vergleich zu US-Staatsanleihen für nächstes Jahr eine höhere Inflation einzupreisen. Die Inflation begibt sich langsam von den heute extrem niedrigen Ständen auf ein normales Niveau im nächsten Jahr, weshalb der Schutz vor Inflation ein relevantes und wichtiges Thema ist, das die Investoren heute in Erwägung ziehen sollten.