Was bedeuten steigende Anleiherenditen für die Banken?
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Seit dem dritten Quartal 2021 sind die Breakeven-Inflationsraten in den USA, im Vereinigten Königreich und in Deutschland deutlich gestiegen. Der anhaltende Inflationsdruck, der mit Problemen in der Lieferkette zusammenhängt, wurde durch die Unruhen in Russland und der Ukraine noch verschärft. Der Ölpreis liegt bei fast 90 Dollar pro Barrel, und etwaige Sanktionen gegen Russland könnten die Preise in die Höhe treiben, insbesondere für die Europäische Union, da Russland ihr größter Gaslieferant ist. Vor diesem Hintergrund sind die Zentralbanken im Jahr 2022 deutlich zurückhaltender als im vergangenen Jahr, und die Renditen am Anleihemarkt korrigieren auf ein höheres Niveau. Die oben genannten veränderlichen Variablen haben zu einer wachsenden Nachfrage nach Anlageklassen geführt, die hohe Erträge bieten und möglicherweise eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegenüber steigenden Anleiherenditen aufweisen. Ein Sektor, der in der Vergangenheit von steigenden Anleiherenditen historisch profitierte, ist der Bankensektor. In diesem Blog werden wir erörtern, was steigende Anleiherenditen für den Bankensektor im Jahr 2022 bedeuten könnten.
Steigende langfristige Anleiherenditen wirken sich für den Bankensektor positiv aus, da sie zur Verbesserung der Nettozinsmargen (NZM) der Banken beitragen können. Auf einer sehr hohen Ebene ist die NZM im Wesentlichen die Differenz zwischen dem Zinssatz, den die Banken an ihre Einleger zahlen, und dem, was sie mit ihren Vermögenswerten, z. B. den Kundenkrediten, verdienen. Die Banken zahlen ihren Kunden normalerweise Zinsen, die unter den kurzfristigen Zinssätzen liegen, und bauen so einen Puffer auf, um ihre Rentabilität in einem Umfeld steigender Zinsen zu erhöhen.
Während die Europäische Zentralbank (EZB) im Vergleich zu den USA und dem Vereinigten Königreich weiterhin einen akkommodierenden geldpolitischen Kurs verfolgt, erwarten die Marktteilnehmer aufgrund des anhaltenden Inflationsdrucks, dass die EZB in der zweiten Jahreshälfte 2022 die Zinsen anheben wird. Auch wenn die EZB wahrscheinlich den Spagat schaffen wird, den anhaltenden Inflationsdruck unter Kontrolle zu halten und es der Eurozone ermöglicht, ihren Wachstumskurs im Jahr 2022 fortzusetzen, gehen wir davon aus, dass der Depo-Satz der EZB im März 2023 nahe 0 % liegen wird, es sei denn, von Außen wirkende Faktoren belasten den Wachstumskurs in Europa erheblich. Zwischenzeitlich hat sich die Kurve der deutschen Staatsanleihen weiter nach oben verschoben, wobei die Rendite 10-jähriger Anleihen bei +28 Basispunkten liegt, verglichen mit -18 Basispunkten zum Jahresende 2021. Diese Zahl steht in einem günstigen Verhältnis zu der Ende 2020 festgestellten Rendite von -57 Basispunkten1. Es gibt eine konstruktive Verschiebung hin zu höheren langfristigen Anleiherenditen, was eine positive Auswirkung auf die NZMs der Banken haben kann.
Wenn wir die europäischen Banken genauer betrachten, so trägt das NextGenerationEU-Programm dazu bei, das mittel- bis langfristige Wachstum in ganz Europa zu unterstützen, wobei Länder wie Italien und Spanien einen großen Teil der Kreditunterstützung erhalten. Betrachtet man die Wachstumserwartungen für 2022, so wird erwartet, dass die Eurozone die USA leicht überholen wird, da die Konsensdaten ein jährliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von +4,0 % gegenüber +3,8 % in den USA vorsehen2. Sollte der Markt Recht behalten und die EZB eine Anhebung der Leitzinsen bis mindestens zur zweiten Jahreshälfte hinauszögern, könnte das Kreditwachstum der Banken vor allem im Vorfeld künftiger Zinserhöhungen stark ansteigen.
Ein weiterer Schwerpunkt für die europäischen Banken wird die Frage sein, was mit dem 2022 auslaufenden Bonussatz für gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs) und den daraus resultierenden Auswirkungen auf das europäische Bankensystem geschehen wird. Es ist möglich, dass das Programm nicht verlängert wird, teils wegen der positiven Auswirkungen, die das Programm NextGenerationEU auf das Wachstum haben soll. Die europäischen Banken sind in der Lage, indirekt vom NextGenerationEU-Programm zu profitieren, insbesondere in Ländern wie Italien und Spanien, die zu den Hauptbegünstigten des Programms gehören. Die Banken in diesen Regionen könnten von einem Aufschwung der Kreditnachfrage profitieren. Die positiven Wachstumserwartungen für die Eurozone im Jahr 2022 könnten generaell die Nachfrage nach gewerblichen Krediten stützen, da die Unternehmen versuchen, die gestiegene Nachfrage zu bewältigen. Dies ist im Kontext mit den Unruhen in der Ukraine und in Russland zu sehen, die die Inflation weiter in die Höhe treiben und zu einer Verlangsamung des Wachstums führen könnten.
Was kann uns die Ertragssaison bisher über die Gesundheit der Banken sagen?
Zu diesem Zeitpunkt in der aktuellen Gewinnsaison für Q4 2021, die sich auf den Bankensektor im Euro Stoxx 600 Index konzentriert, haben wir einen Gewinnzuwachs von fast 57% im Q4 2021 gegenüber dem Vorquartal festgestellt3. Von den bisher 42% der Unternehmen im Euro Stoxx 600 Index, die ihre Gewinne für Q4 2021 gemeldet haben, sticht der Bankensektor mit einer Gewinnüberraschung von 13% hervor, was im Vergleich zum zyklischen Konsumgütersektor, der eine negative Gewinnüberraschung von 32% meldete, positiv ist. Die Fundamentaldaten der Banken im Euroraum sind solide, und die Bankenregulierung hat dazu geführt, dass die Kapitalquoten auch während der anhaltenden Pandemie erhalten blieben. Die jüngsten EU-weiten Stresstests haben den Anlegern auf dem Markt der bedingten Tier-1-Pflichtwandelanleihen (AT1 COCO) die Gewissheit gegeben, dass die Kapitalausstattung weiterhin einen Puffer zu den regulatorischen Anforderungen aufweist. Die starke Performance, die wir in dieser Phase der Gewinnsaison beobachten konnten, wird den Sektor wahrscheinlich weiterhin unterstützen.
Fazit
Angesichts des sich verändernden makroökonomischen Umfelds sind Banken nach wie vor ein attraktiver Sektor, der sich gegenüber der Marktvolatilität der letzten Jahre als widerstandsfähig erwiesen hat. Seit dem Ausbruch der Pandemie4 bis zum 8. Februar 2022 erzielten Bankaktien eine jährliche Gesamtrendite von +45,4 % und ihre nachrangigen Schuldtitel wie beispielsweise bedingte Tier-1-Pflichtwandelanleihen (AT1 CoCos) eine jährliche Gesamtrendite von +13,9 %5. Beides sind Nischen in der Kapitalstruktur der Bank, in denen ein Anleger auch hohe Erträge erzielen kann. Angesichts der allgemein guten Bonität der Emittenten bieten sich den Anlegern Möglichkeiten, innerhalb der Kapitalstruktur der Banken Erträge zu erwirtschaften und gleichzeitig ein Engagement in Emittenten mit soliden Kreditgrundlagen beizubehalten.
Sources
1 Quelle: Bloomberg, EUR German Sovereign Curve 10. Februar 2022, 31. Dezember 2021, 31. Dezember 2020.
2 Quelle: Bloomberg, wirtschaftliche Konsensdaten vom 8. Februar 2022 unter Verwendung von ECGDUS 22 und ECGDEU 22.
3 Quelle: Bloomberg, Stand: 10. Februar 2022 (Gewinnsaison, die am 15. Februar 2022 endet), Preisindex Euro Stoxx 600 unter Berücksichtigung des SXXP mit Hilfe der Bloomberg-Gewinnanalysefunktion (EA).
4 16. März 2020 (Tiefststand) bis 8. Februar 2022, europäische Banken vertreten durch den STOXX Europe 600 Bank Index (SX7R), AT1 CoCos vertreten durch den IBXXCCL7 Index.
5 Quelle: Bloomberg, Zeitraum vom 16. März 2020 (Talsohle) bis 8. Februar 2022, europäische Banken dargestellt anhand des STOXX Europe 600 Bank Index (SX7R), AT1 CoCos dargestellt anhand des IBXXCCL7 Index.
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