Japanisches BIP ein klares Signal für die BoJ – Sparquote steigt steil an
Das japanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) fiel im ersten Quartal von Januar bis März um annualisierte 6 %. Nach acht aufeinanderfolgenden Quartalen mit einem positiven Wachstum, war ein konjunkturbedingter Rückfluss unvermeidlich. Der Bericht beinhaltet jedoch eine deutliche Botschaft für Entscheidungsträger im Allgemeinen und die Bank of Japan im Besonderen: Es gibt keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Alle Komponenten der privaten Nachfrage waren gleichzeitig rückläufig, nur die Exporte verzeichneten ein solides Wachstum. Die absolute Höhe des erzeugten BIP ist nun wieder auf einen Stand gesunken, auf dem es sich bereits letzten Frühling befand. Wir fassen zusammen: In Sachen Geldpolitik hat Japan noch viel vor sich. Der in dieser Woche veröffentlichte Bericht bestärkt uns in unserer Überzeugung, dass die BoJ sich vollständig vom US-Zinszyklus entkoppeln wird – Japans Nullzins-Politik sowohl bei kurzfristigen als auch bei langfristigen Zinsen wird sich trotz steigender Leitzinsen und Anleiherenditen in den USA mindestens noch weitere 15 bis 18 Monate halten.
Neue Fakten aus dem Bericht im Überblick
Schwachpunkt ist der Wohnungsbau. Er verzeichnet nun bereits im dritten aufeinanderfolgenden Quartal einen Rückgang. Die Hauptursache dafür ist ein klassischer „Boom-Bust-Zyklus“, der ausgelöst wurde, als die BoJ ihre derzeitige Zerobondpolitik einführte: Vom ersten Quartal 2016 bis zum zweiten Quartal 2017 stiegen die Investitionen in Wohnimmobilien um fast 10 %, was durch die neuen extrem niedrigen Hypothekenzinsen geschürt wurde (das Ergebnis einer Deckelung der Renditen von 10-jährigen Anleihen auf null). Da die Zinselastizität nun vollständig ausgeschöpft ist, hat der Wohnungsbau seit seinem Höhepunkt im zweiten Quartal 2017 nun wieder um 5,1 % verloren.
Der Wohnungsbau ist für uns der wesentliche Leitindikator für die japanische Inlandsnachfrage im Allgemeinen und die Risikobereitschaft der privaten Haushalte im Besonderen. Angesichts dieser Bestätigung des Abschwungs stellt sich die Frage, wann der nächste Aufschwung ansteht. Unserer Meinung nach steht er kurz bevor, da sich die Hinweise darauf häufen, dass sich unsere These der „neuen japanischen Mittelschicht“ tatsächlich bewahrheitet: steigende Einkommen, eine wachsende Anzahl von Vollzeitstellen und ein Zuwachs bei den Haushaltsgründungen, da auch die Heiratsrate steigt. Zusammen sollten diese Kräfte in den nächsten Quartalen bei den Investitionen in Wohnimmobilien für Unterstützung sorgen.
Die gute Nachricht ist, dass der BIP-Bericht eine zügige und stetige Beschleunigung beim Einkommenswachstum bestätigt: Im vierten Quartal in Folge ist die Arbeiterunfallversicherung um 0,9 % gestiegen (im Vergleich zum vorherigen Quartal, nicht annualisiert, nominal). Noch vor einem Jahr wurde bei der Arbeiterunfallversicherung ein nominaler Zuwachs von 3,2 % verzeichnet, effektiv waren es 2,0 %. Dies entspricht im Prinzip dem Doppelten der vor einem Jahr gemeldeten Wachstumsrate gegenüber dem Vorjahr (1,4 % nominal, 1,1 % effektiv, wie für das erste Quartal 2017 gemeldet). Die Arbeiterunfallversicherung ist das beste Maß für die tatsächliche Kaufkraft der Arbeitnehmer, da sie, im Gegensatz zu den monatlichen Lohn- und Einkommensdaten, die Anzahl der Beschäftigten und den durchschnittlich verdienten Lohn miteinander verknüpft.
Alles in allem bestätigt der klare und stetige Anstieg bei der Arbeiterunfallversicherung, dass sich ein Erfolgszyklus anbahnt und dass die Kaufkraft der Japaner derzeit steigt. Wenn sich dieser Zyklus, wie wir annehmen, fortsetzt, dürfte sich der Zyklus aus Investitionen in Wohnimmobilien und Wohnungsbau bald stabilisieren – der von der BoJ initiierte „Boom-Bust-Zyklus“ hat sich nun schließlich korrigiert.
Die Verbraucher bauen eine Kriegskasse auf – die Sparquote ist in den vergangenen 12 Monaten wieder um 1 % des BIP gestiegen. Trotz des sich beschleunigenden positiven Wachstums beim Arbeitseinkommen, hat der Konsum in diesem Quartal nicht zugenommen. Tatsächlich verzeichnete die Arbeitsunfallversicherung gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs von 8,5 Trillionen Yen, die Konsumausgaben stiegen jedoch nur um 2,8 Trillionen Yen. Die Haushaltsersparnisse der Arbeiter sind in den letzten 12 Monaten also um 5,7 Trillionen Yen gestiegen, was 1 % des BIP entspricht. Man sollte sich jedoch keinen Illusionen hingeben – genau dieser Anstieg bei der Sparquote der Beschäftigten ist Japans größtes „strukturelles Problem“. Es erhöhen sich dadurch sowohl der Außenhandelsüberschuss als auch das Haushaltsdefizit. Ebenso lässt dieser Sachverhalt auf einen fundamentalen Mangel an Vertrauen in die Zukunft schließen sowie auf eine Angst vor künftigen Steuererhöhungen oder Kürzungen öffentlicher Dienste. Die Tatsache, dass der japanische Durchschnittsbürger Vorsorgebestände aufbaut, zeigt, dass er bisher nicht an den Erfolg der Abenomics glaubt. Dieses grundlegende Misstrauen abzubauen, ist eine Aufgabe monumentalen Ausmaßes. Ein guter Startpunkt wäre unserer Ansicht nach ein glaubwürdigere Reform der Sozialversicherungs- und Wohlfahrtsprogramme sowie eine aggressivere Privatisierungs- und Deregulierungsagenda.
Alles in allem ist die Botschaft des BIP-Berichts einfach: Den Entscheidungsträgern bleibt keine Zeit, um die Hände in den Schoß zu legen. Da die Sitzungsperiode im japanischen Parlament Anfang nächsten Monats endet, werden der Gouverneur der BoJ, Haruhiko Kuroda, und sein neuer Lenkungsrat dafür sorgen müssen, dass dieses eine negative Quartal nur eine Atempause und nicht der Beginn eines tatsächlichen Abschwungs war. Vor allem wird die BoJ alles tun, um eine Wertsteigerung des Yen zu unterbinden. Japan kann es sich nicht leisten, die positive Exportdynamik aufs Spiel zu setzen, während eine Erholung der Inlandsnachfrage nach einem rückläufigen ersten Quartal angestrebt wird.
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