Zehn Überraschungen für Japan im Jahr 2019
Zehn Überraschungen für Japan im Jahr 2019
2019 wird wahrscheinlich ein gutes Jahr für Japan. Während die Sorgen über die Rezessionen in den USA und China weltweit ein widriges Umfeld und ein Klima der Unsicherheit schaffen, ist die japanische Binnenwirtschaft gut aufgestellt, um sich vom globalen Zyklus abzukoppeln und für steigende Beschäftigungszahlen und Kaufkraft im Land zu sorgen. Allerdings dürfte es einige Überraschungen geben, also Szenarien, die von den derzeitigen quantitativen Modellen der Experten oder dem allgemeinen Konsens nicht vorhergesehen worden sind. Hier sind die Ausnahmeszenarien in Bezug auf Japan für 2019, die mich persönlich beunruhigen. So unwahrscheinlich diese auch sein mögen, kann eine Bewegung hin zu einem Extrem eine Kehrtwende im aktuellen Konsens bewirken. Gerade das macht Überraschungen so potent. Viel Spaß beim Lesen und meine besten Wünsche für ein erfolgreiches und gutes neues Jahr 2019.
1) Bei den Tarifverhandlungen für 2019 („Shunto“) wurde nach dem 2-prozentigen Anstieg im letzten Jahr eine Lohnerhöhung um 4 Prozent erstritten.
Die japanische Wirtschaft braucht einen leistungsstärkeren Motor zur Ankurbelung der Konsumausgaben im Inland. Nach den jahrelang moderaten Lohnabschlüssen und der von den Betriebsgewerkschaften favorisierten langfristigen Beschäftigungsstabilität auf Kosten kurzfristiger Lohnzuwächse ist der Arbeitsmarkt inzwischen so angespannt, dass sich das Lohnwachstum beschleunigen dürfte. Wenn ich richtig liege und der Shunto für 2019 (die in jedem Frühjahr stattfindenden Tarifverhandlungen zwischen großen Arbeitgebern und Gewerkschaften in Japan) de facto zu einer Verdoppelung des Grundgehalts führt, könnte ein konsumgetriebenes Wachstum Realität werden. Je höher das Shunto-Ergebnis desto besser stehen die Chancen, dass sich Japan in positiver Weise von einem globalen Abschwung abkoppeln kann.
2) Premierminister Abe bewegt China zur Teilnahme an der neuen Transpazifischen Partnerschaft (TPP).
2019 wird es wahrscheinlich zu einem Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Japan und China kommen. Seit dem erfolgreichen Gipfel im Oktober 2018 haben sich Premierminister Shinzo Abe und Präsident Xi Jinping dazu verpflichtet, nicht nur ihre bilateralen Beziehungen zu verbessern, sondern auch eine glaubhaftere gemeinsame Führungsrolle in Asien zu übernehmen. Nichts könnte besser unter Beweis stellen, dass sich China zu einer verlässlichen und verantwortungsvollen Führungsrolle in Asien bekennt, als ein Beitritt zum neuen multilateralen Freihandelsabkommen TPP. Wenn Japan China dazu bewegen kann, dem neuen Freihandelsabkommen TPP beizutreten, würde dies den Status des Landes als globaler Führer und Protektor der multilateralen Rechtssetzung unwiderruflich aufwerten. Mehr noch, Abe würde als der Staatsmann in die Geschichte eingehen, dem es gelang, die Angst der Länder des Pazifikraums vor einem einseitigen Aufstieg Chinas zu dämpfen – kooperatives Engagement statt unilateraler Unterwerfung.
3) Neben dem Handelskrieg könnten die Vereinigten Staaten nun auch einen Währungskrieg auslösen, wenn sich die Federal Reserve (Fed) gezwungen sieht, die US-Leitzinsen zu senken.
Mit dem zunehmenden Risiko einer Rezession in den USA steigt die Wahrscheinlichkeit einer Kehrtwende der US-amerikanischen Zinspolitik. Nach vier Zinserhöhungen im Jahr 2018 könnte die Fed im kommenden Sommer tatsächlich damit beginnen, die Zinsen wieder zu senken. Dies könnte wiederum eine kräftige Abwertung des US-Dollars zur Folge haben. Allerdings könnten dies weder China noch Europa tolerieren. Vor allem China hat sich bereits sehr deutlich gegen ein neues Plaza Abkommen ausgesprochen (in dessen Rahmen Europa und Japan 1985 eine von den USA propagierte Politik des schwachen Dollars vereinbart hatten). Machen wir uns nichts vor – die nächste Rezession in den USA wird wahrscheinlich einen globalen Währungskrieg auslösen (d. h., kompetitive Abwertungen). Hierbei ist zu beachten, dass es nicht mehr der Wechselkurs zwischen den USA und Japan ist, der die Geschicke der Weltwirtschaft im Jahr 2019 und darüber hinaus bestimmen wird, sondern der Wechselkurs zwischen den USA und China.
4) Eine japanische Megabank übernimmt eine US-amerikanische Großbank.
Gute Nachrichten für Japan: Die Kursrückgänge auf dem US-Aktienmarkt haben die Preise für amerikanische Unternehmen gesenkt. Japanische Banken sind schon lange darauf aus, in den USA zu expandieren, wurden aber durch die hohen Kurse und Bewertungen der US-Banken in den vergangenen Jahren davon abgehalten. Nun, da sich der Zyklus in den USA umgekehrt hat, bekommen japanische Bankenchefs nun möglicherweise die Chance, ihre ambitionierten globalen Ziele in die Tat umzusetzen und 2019 eine „günstige“ US-Bank zu kaufen.
5) Die Bank of Japan (BOJ) und das Finanzministerium arbeiten zusammen, um die Aktienbestände der börsengehandelten Fonds (ETF) der BOJ an japanische Sparer zu verkaufen.
Die BOJ besitzt aufgrund ihres ETF-Kaufprogramms annähernd 6 Prozent des japanischen Aktienmarkts. Wenngleich dies als Notmaßnahme zur Überwindung einer Deflation gerechtfertigt werden kann, ist die De-facto-Verstaatlichung des Aktienkapitals durch die Zentralbank aus vielen Gründen kontraproduktiv geworden. Der Hauptgrund ist jedoch, dass niemand mit einem reibungslosen Ausstieg rechnet. Wenn die BOJ mit dem Abverkauf beginnt, wird der Markt mit Sicherheit zusammenbrechen. Wer könnte den Aktienüberhang der BOJ kaufen? Auf diese Frage gibt es nur eine Antwort: die japanischen Sparer im Allgemeinen, insbesondere aber die ältere Generation (die über 65-Jährigen halten mehr als 70 Prozent der Nettovermögenswerte). Um einen älteren Sparer dazu zu bewegen, von Bankeinlagen auf riskante ETFs umzusteigen, wird ein starker Anreiz vonnöten sein: die Erbschaftsteuer. Wenn der BOJ und dem Finanzministerium eine Zusammenarbeit gelingt und sie ein Programm entwickeln, in dessen Rahmen jede Person, die ETFs direkt von der BOJ kauft, eine Befreiung dieser ETFs von der Erbschaftsteuer erhält, wird die Zentralbank mit Sicherheit in der Lage sein, ihre Bilanz innerhalb weniger Wochen zu sanieren. Im Endeffekt hätte dies eine Reprivatisierung der japanischen Aktien, ein solideres Unternehmensbeteiligungsprofil und ein besseres Risiko-Rendite-Verhältnis der Bilanzen des Haushaltssektors zur Folge.
6) Die Gouverneurin der Präfektur Tokio und Toyota kündigen einen Shuttle-Service mit einem „fliegenden Auto“ für die Olympiasieger 2020 an.
Im Rahmen der Olympiade in Tokio möchte Japan seine Innovationskraft zur Schau stellen. 1964 war es der Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen. Im Jahr 2020 könnten es „fliegende Autos“ sein. Wird die Gouverneurin der Präfektur Tokio und die Toyota Motor Corp. einen Shuttle-Service mit einem fliegenden Auto für die Olympiade 2020, insbesondere für Medaillengewinner, ankündigen? Vergessen Sie autonom fahrende Autos. Um einen echten Quantensprung im Mobilitätsbereich zu erzielen, könnten fliegende Autos Japans nächster großer Coup sein.
7) Die liberaldemokratische Partei (LDP) legt sich auf eine Politik einer „Steuererhöhungsbremse“ fest.
Am 1. Oktober 2019 wird die Verbrauchssteuer von 8 Prozent auf 10 Prozent angehoben. Wenn sich Premierminister Abe und sein Team sowie die LDP vor der 2019 stattfindenden Oberhauswahl auf eine Politik einer „Steuererhöhungsbremse“ festlegen würden, könnte dies für eine positive Überraschung sorgen. Nichts belastet das Verbrauchervertrauen mehr als die Aussicht auf immer weitere Steuererhöhungen. Eine Zusicherung der LDP, „die Steuern bei 10 Prozent einzufrieren“, würde das Bestehen eines selbsttragenden, konsumgetriebenen Wachstums wesentlich glaubhafter machen. Darüber hinaus würde dies die Nachfolger von Abe von der LDP in die Lage versetzen, durch Einsparungen der Staatsausgaben und die Privatisierung von staatlichen Dienstleistungen sicherzustellen, dass das Haushaltsdefizit nicht aus dem Ruder läuft.
8) Japans öffentliche und private Pensionsfonds beteiligen sich mit 1 Billion Yen an einem gemeinsamen Inkubatorfonds.
Innovation und Unternehmergeist stehen bei jedem ganz oben auf der Agenda, aber es werden nur wenige konkrete Maßnahmen ergriffen, um tatsächlich eine stärker unternehmerisch geprägte Kultur zu schaffen. Dies ist ein komplexes Thema, aber für den Anfang ist das Angebot von Finanzierungen für Start-ups ein sicherer Weg zum Erfolg. Ein Inkubatorfonds in Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft, an dem sich die öffentlichen und privaten Pensionsfonds mit einer Investition von 1 Billion Yen in inländische Start-ups beteiligen, dürfte zur Entwicklung eines neuen Umfelds beitragen. Ironischerweise scheint hier der Mangel an überzeugenden Start-ups und Unternehmern nicht das größte Hindernis zu sein, sondern vielmehr die fehlende Fachkompetenz unter den japanischen Pensionsmanagern und anderen institutionellen Treuhändern.
9) Durch die Ankunft von 100.000 Chinesen per Schiff in Taiwan mit der Absicht, dort zu leben, wird eine friedliche Invasion Taiwans eingeleitet.
Kriegsspiele und Games mit Aggressionsszenarien erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit, aber es könnte – ohne starke Geschütze oder Hackerangriffe – durchaus zu einer echten Bedrohung kommen. Im Fall von Taiwan könnte eine „friedliche Invasion“ eingeleitet werden, wenn etwa 100.000 Zivilisten vom chinesischen Festland mit Privatschiffen in Taiwan anlegen in der Absicht, sich dort dauerhaft niederzulassen. Dies wäre sicherlich eine unglaubliche Belastungsprobe der „Ein China“-Politik, was die Spielregeln in der Geopolitik des südchinesischen Meeres definitiv verändern könnte.
10) Japans Rugbyteam ist erfolgreich und schafft es in das Finale der Rugby-Weltmeisterschaft 2019.
Das Gastgeberteam der Rugby-Weltmeisterschaft 2019 ist bereit, heldenhaft für Ehre und Land zu kämpfen. Wäre es nicht ausgleichende Gerechtigkeit, wenn die Brave Blossoms die erste Rugby-Weltmeisterschaft der neuen Kaiserzeit gewinnen würden? Es ist doch immer viel besser zu träumen, als überrascht zu werden.
Zudem könnte Sie folgende Lektüre interessieren
+ Giappone: andare oltre l’opinione dominante per concentrarsi sui fondamentali