Wird die Zukunft web3, Metaverse oder Open Source sein?
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‚Web3‘ hat sich in den vergangenen Monaten zu einem Schlagwort entwickelt. Dieser Begriff setzt voraus, dass es zuvor ein web1 und ein web2 gab und dass es bald ein neues Kapitel in diesem Prozess der technologischen Entwicklung geben wird. Die Geister scheiden sich darüber, wie diese Zukunft aussehen könnte. Die verschiedenen Lager lassen sich grob in diejenigen einteilen, die es als web3, als Metaverse sehen, und jene, die es gern als Open Source hätten. Zwischen den verschiedenen Lagern gibt es Überschneidungen. Wer versteht, was hinter diesen Begriffen steht, welche Rolle Digital Assets (=digitale Vermögenswerte) dabei spielen und warum diese Begriffe so viel Aufmerksamkeit (und Kontroversen) auf sich ziehen, wird in der Zukunft besser neue Chancen erkennen können.
Der Begriff ‚web3‘ wurde 20141 von Gavin Wood eingeführt. Jedoch wurde er seitdem von Chris Dixon und seinem Team von der Risikokapitalgesellschaft Andreessen Horowitz2 (a16z) verbreitet. Zusammengefasst als „lesen, schreiben, besitzen“3, bedeutet der Begriff, dass das Online-Leben drei aufeinanderfolgende Phasen durchlaufen hat, in denen die Nutzer ihre Online-Möglichkeiten schrittweise erweitern konnten.
Google Trends, Interesse an dem Begriff ‚web3‘ im Zeitverlauf (2017 - 2022)
Quelle: Google Trends; https://trends.google.com/trends/explore?date=today%205-y&q=web3, taken 20/1/22
Zunächst gab es das web1. Mitte der 1990er Jahre versuchte eine Entwicklergemeinschaft für Freie und Open-Source-Software (FOSS), ein digitales Ökosystem aufzubauen, in dem die Benutzer ihre eigenen Server betreiben, ihre Daten selbst verwalten und ein relativ autonomes Online-Leben führen konnten. Tim Berners-Lees World Wide Web (www) ist das Sinnbild für diese Vision eines offenen Standards4. Diese Vision brachte Unternehmen wie Geocities hervor – individuell gestaltete Webseiten in HTML-Format und großzügige Nutzung von Gifs5 – oder Napster und BitTorrent, die Peer-to-Peer-Dateitransfer ermöglichten6.
Diese Vision ging nicht ganz auf.
Nach dieser Geschichte kam web2 und bedeutete eine Verlagerung zu mehr Interaktionen auf Plattformen, die Unternehmen wie Google, Facebook und Twitter gehören. Im Gegenzug für „kostenloses“ Hosting und ansprechende Benutzeroberflächen – die Benutzer interagierten auf Closed-Source-Plattformen – wurden die dort erfassten Benutzerdaten (einschließlich vieler wertvoller persönlicher Daten) dauerhaft an die Eigentümer der Plattform lizenziert. Dieses wertvolle immaterielle Eigentum ermöglichte es diesen Unternehmen, allmählich zu wachsen und den Markt zu dominieren.
A16z erkannte, dass sich in der digitalen Welt ein Wandel vollzog und übernahm den Begriff ‚web3‘ für ihre Zukunftsvision. Andere haben diesen Wandel ebenfalls erkannt und verwenden dafür den Begriff ‚Metaverse‘. Die alte FOSS-Garde glaubt, dass es eine Möglichkeit geben könnte, ihre ursprüngliche Vision des Open-Source-Online-Lebens wieder aufleben zu lassen. Bei allen drei Visionen spielen Digital Assets eine Rolle.
Für die web3-Vision gibt es Open-Source-Protokolle, auf denen neue dezentrale Anwendungen aufgebaut werden. Die Befürworter verweisen auf die Verwendung von asymmetrischer Kryptografie und dezentralen Datenbanken (‚Blockchains‘), damit die Benutzer steuern können, wann und wohin diese Vermögenswerte übertragen werden. Das ist der „eigene“ Anteil des „Lesen, Schreiben, Besitzen“-Mantras von a16z. In der Praxis ergibt sich daraus ein gewisses ‚Eigentumskonzept‘, wenn auch nicht im rechtlichen Sinne. Kritiker werden darauf hinweisen, dass viele Interaktionen auf diesen Plattformen aktuell voraussetzen, dass die Nutzer den Plattformen ihre privaten Schlüssel anvertrauen. Auch das Ökosystem ist nicht eindeutig gegliedert7. Darüber hinaus halten Risikokapitalgeber bei der Gründung8 von dezentralen Netzwerken wie Solana (SOL) oder Avalanche (AVAX) unterschiedliche Anteile an den Coins und Token, was bedeutet, dass sie wahrscheinlich einen großen Teil des generierten Wertes vereinnahmen werden.
Quelle: The Block Research Digital Asset Outlook 2022; https://www.tbstat.com/wp/uploads/2021/12/The-Block-Research-2022-Digital-Asset-Outlook.v2.pdf
Das Open-Source-Modell geht noch einen Schritt weiter als die web3-Vision. Die Idee ist die Entwicklung dezentraler Anwendungen mit Open-Source-Software und -Protokollen. Dezentrale Datenbanken und asymmetrische Kryptografie – wo die Benutzer ihre persönlichen Schlüssel selbst verwahren – verleihen Kontrolle, Eigentum über und letztlich Verantwortung für die eigenen Digital Assets. Auf Kosten von Sicherheit und erforderlichen profunderen technischen Kenntnisse im Vergleich zum Web3-Modell, könnte diese Vision es den Benutzern ermöglichen, den Wert von geistigem Eigentum und die Wertbeständigkeit, die sie bei der Online-Interaktion generieren, zurückzugewinnen und davon zu profitieren. Diese Vision hat den CEO von Block, Jack Dorsey, fasziniert, für den Bitcoin eines der bedeutendsten Open-Source-Protokolle ist.
Beim Metaverse-Modell interagieren die Menschen hauptsächlich über Closed-Source- und integrierte Online-Plattformen. Hierbei handelt es sich um eine kontinuierliche Weiterentwicklung der erfolgreichen Modelle des vergangenen Jahrzehnts, wie sie von Microsoft, Google, Facebook und anderen entwickelt wurden. Viele Menschen nutzen diese Plattformen sehr gerne – auch wenn Sicherheit und Datenschutz bisher problematisch sind. Die Bündelung beruflicher, sozialer, freizeitspezifischer, finanzieller und sonstiger Benutzerdaten auf einer Plattform könnte die Nachteile überwiegen, die sich aus Benutzerfreundlichkeit, Wirtschaftlichkeit und Geschwindigkeit ergeben. Das ist einer der Gründe für Microsofts jüngste – und bisher größte – Akquisition des Videospielherstellers Activison Blizzard9.
Quelle: Geekwire; https://www.geekwire.com/2022/chart-microsofts-biggest-acquisitions-of-all-time-led-by-the-blockbuster-deal-to-buy-activision-blizzard/
Die Fronten im Kampf um die digitalen Eigentumsrechte für das kommende Jahrzehnt werden immer klarer, verlagern sich jedoch auch ständig. Die drei großen Visionen schließen sich zwar nicht gegenseitig aus, doch das Verhältnis zwischen Risiko und Gewinn ist bei den verschiedenen Wettbewerbern in diesem Bereich sehr unterschiedlich. Um es kurz zu machen – es steht viel auf dem Spiel. Wer sich in diesem Bereich erfolgreich bewegt, kann sich einen Anteil an der nächsten Phase der Wertgenerierung von Digital Assets sichern – und dieses Mal gelingt das vielleicht nicht nur Insidern.
Quelle
1 https://www.wired.com/story/web3-gavin-wood-interview/
2 https://future.a16z.com/why-web3-matters/
3 https://twitter.com/cdixon/status/1459036992050716697?lang=en-GB
4 https://home.cern/science/computing/birth-web/short-history-web
5 https://www.wired.com/2009/11/geocities/
6 https://www.wired.com/2013/04/napster/
7 https://moxie.org/2022/01/07/web3-first-impressions.html
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