Trotz Rückkehr zur Normalität in Europa Risiken für sichere Häfen: Deutsche Bundesanleihen – Hedging erforderlich?
Die politische Unsicherheit in Europa, sowie ihr Einfluss auf die Finanzmärkte, ist vorerst vorbei. Eine durch die Liberalen geführte Koalition in den Niederlanden fügt sich gut zur von Deutschland angeführten EU Agenda. Der pro-Europa Präsident Frankreichs konnte die Spannungen/ das extreme Sentiment minimieren und den Staus Quo einhalten. Die im September abgehaltene Deutschland Wahl war zudem auch weitesgehend ein „Non-Event“ da Merkel schon sehr früh die Führung in den Umfragen übernommen hat und sich die SPD mit Martin Schulz als Zweiter positionierne konnte. Ein durch die AfD belegter dritter Platz kommt allerdings etwas überraschend und erschwert Merkels Bemühungen zügig eine Koalition zu gründen. Italien wird voraussichtlich erst 2018 wählen gehen.
Dennoch bestehen für die europäischen Anleihemärkte nach wie vor erhebliche Abwärtsrisiken, insbesondere wegen des allgemein erwarteten vierten und fünften Zinsschritts der Fed seit 2015 und eines „optimistischeren“ Ausblicks der EZB auf die Konjunkturentwicklung im Euro-Raum, die zu erneuten Spekulationen über ein vorzeitiges Auslaufen der quantitativen Lockerung führen könnte.
Am anfälligsten für Schwankungen und Abwärtsrisiken sind dabei deutsche Bundesanleihen, deren Renditeniveau sich auf einem Tiefpunkt befindet.
Neben dem Risiko einer restriktiveren Geldpolitik der Fed und der EZB plant der französische Präsident Emmanuel Macron im Rahmen seiner legislativen Agenda offenbar die Einführung von „Eurobonds“, die eine veränderte Lastenaufteilung zwischen den größten EU-Gläubigerstaaten zur Finanzierung des Investitionsbedarfs wirtschaftlich schwächerer EU-Länder implizieren würden. Diese Entwicklung dürfte sich auf die Rendite-Einschätzung für deutsche Bundesanleihen nicht gerade positiv auswirken. Zudem stützt die robuste Entwicklung der Beschäftigung und des Lohnniveaus die Annahme einer längerfristig höheren Inflation in Deutschland. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Aussichten für China und den Handel stabilisieren und die OPEC die Ölfördermengen weiter absenkt.
Da der „Schleier“ der politischen Ungewissheit in Europa erst einmal gefallen ist, stehen die deutschen Bundesanleihen wieder verstärkt der robusten Entwicklung der fundamentalen Konjunkturdaten gegenüber – die bereits hohe Nachfrage nach den Papieren lässt sich daher zunehmend schwerer begründen. Die seit Jahresbeginn verzeichnete erratische Renditeentwicklung deutscher Bundesanleihen von 20 bis 50 BP deutet auf ein nur schwach ausgeprägtes Vertrauen der Anleger in die Robustheit der Anleihen hin – nicht zuletzt mit Blick auf langlaufende US Treasuries, die einen um 180 bis 200 BP höheren Wertzuwachs (Rendite) erzielen. Und angesichts der Inflationsrate von 2% dürften institutionelle Anleger in Deutschland langfristige Schulden im Inland künftig nur schwer mit Blick auf Renditen rechtfertigen können, die sich derzeit sowohl implizit (d. h. zukunftsgerichtet) als auch in Bezug auf die tatsächliche adjustierte Inflationsrate im deutlich negativen Bereich befinden.
Grafik 1: Höhere Inflation mit Druck auf Bundesanleihen
Implizierte Inflation in Deutschland und 10-Jahres-Anleihenrendite (in %)
Quellen: WisdomTree, Bloomberg
Hedging von Bundesanleihen mit gehebelten inversen ETPs
Anleger, die ihre Positionen in europäischen Staatsanleihen absichern möchten, können hierfür gehebelte Short-ETPs als Hedging-Instrumente nutzen. Bei kurz- und längerfristigen Anlagehorizonten lassen sich Leveraged Short ETPs, die festverzinsliche Anlagen hoher Qualität nachbilden, effizient einsetzen.
Die Hebelung dieser ETPs wird über einen täglichen Rebalancing-Mechanismus gesteuert. Und aufgrund der vollständigen Vorfinanzierung des Arrangements ist die maximal mögliche Verlusthöhe des anfänglich eingesetzten Kapitals begrenzt. Hier liegt der Unterschied zu Futures, Optionen oder anderen derivativen Instrumenten, die auf Marge gehandelt werden, wobei Verluste den ursprünglichen Anlagebetrag übersteigen können.
Anleger sollten daher die hohe Sensitivität langlaufender Anleihen gegenüber relativ geringen Zinsänderungen im Auge behalten (siehe Darstellung in nachstehender Grafik 2). Durch Rückgriff auf das Konzept der Duration lässt sich die Kurssensitivität einer Anleihe Veränderungen der Rendite annähern. Demnach würde beispielsweise eine hypothetische Anlage in eine lang laufende Anleihe hoher Qualität, z. B. eine über 10 Jahre laufende deutsche Bundesanleihe, mit einer derzeitigen Duration von 9,6 bei einem Anstieg der Anleiherendite um 25 BP um 2,4% fallen (0,25% x 9,6)1. Ein Anstieg der Anleiherendite um 50 BP würde zu einer Reduzierung des Anleihekurses um rund 4,8% führen.
Das derzeitige makroökonomische Umfeld mit niedrigen Renditen und höherer Inflation hat dazu geführt, dass deutsche Bundesanleihen im bisherigen Jahresverlauf extremen Renditeschwankungen unterworfen waren. Anleger könnten eine solche Volatilität und damit verbundene Verluste als für europäische Staatsanleihen hoher Qualität realistisch einstufen. Für Anleihen niedrigerer Qualität, wie italienische BTPs, erscheinen diese Annahmen allerdings als untertrieben, da hier das Abwärtsrisiko noch höher wahrgenommen wird.
Grafik 2 zeigt, wie in dem vereinfachten Konzept der Duration das Zinsänderungsrisiko durch einen 3-fach gehebelten Short-ETP abgesichert wird – also die gehebelte inverse Position zur hypothetischen Anlage in eine über 10 Jahre laufende Anleihe. Die blaue Linie repräsentiert dabei einen Zinsanstieg um 25 BP, der zu einer Steigerung des Kurses von dreifach gehebelten Short-ETPs um 7,2% führen würde (0,25% x 9,6 x -3; siehe Grafik 2), also um das Dreifache der inversen Rendite der zugrundeliegenden Anlage (3 x -2,4 %).
Grafik 2: Absicherung einer hypothetischen Anleihe mit gehebelten inversen ETPs
Sensitivität gehebelter Short-ETPs und zugrunde liegender Anlage gegenüber Zinsänderungen
Quellen: WisdomTree, Bloomberg
Zur vollständigen Absicherung Ihrer Long-Position mit einem dreifach gehebelten Short-ETP für einen Tag wird ein anfängliches Kapital in Höhe von 33,3% der Long-Position benötigt. Unter der Annahme einer Anlage von USD 1 Mio. in zehnjährige Staatsanleihen mit einer Duration von 9,6 ergibt sich der folgende mögliche Einfluss einer steigenden Rendite auf das Anleiheportfolio mit einer Duration von 9,6:
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Long-Position Marktwert sinkt um: |
Short-Position Kontraktwert steigt um: |
Nettogewinn/-verlust |
Anleiherenditen steigen um 25 BP |
USD 24.000 (USD1Mio. x -0,25% x 9,6) |
USD 24.000 (USD333.000 x -0,25% x -3 x 9,6) |
USD 0 |
Anleiherenditen steigen um 50 BP |
USD 48.000 (USD1Mio. x -0,50% x 9,6) |
USD 48.000 (USD333.000 x -0,50% x -3 x 9,6) |
USD 0 |
Anleger, die ihr Verlustrisiko begrenzen möchten, könnten ein teilweises Hedging ihrer Long-Position in Erwägung ziehen. Bei einer Absicherung von 50% beläuft sich das der Short-Position zugewiesene Kapital bei Einsatz eines dreifach gehebelten Short-ETP auf 16,7% (0,5 x 33,3%) der Long-Position. Bei einer Investition von USD 1 Mio. in zehnjährige Staatsanleihen könnte sich folgender Einfluss einer Zinserhöhung um 25 bzw. 50 BP auf das Portfolio ergeben:
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Long-Position Marktwert sinkt um: |
Short-Position Kontraktwert steigt um: |
Nettogewinn/-verlust |
Leitzinsen steigen um 25 BP |
USD 24.000 (USD1Mio. x -0,25% x 9,6) |
USD 12.000 (USD166.700 x -0,25% x -3 x 9,6) |
USD -12.000 |
Leitzinsen steigen um 50 BP |
USD 48.000 (USD1Mio. x -0,50% x 9,6) |
USD 24.000 (USD166.700 x -0,50% x -3 x 9,6) |
USD -24.000 |
Hohe Qualität begrenzt Kumulierungseffekt
Wie steht es aber um den Kumulierungseffekt bei Haltedauern über mehrere Wochen oder Monate?
Da die Renditen von Short-ETPs gehebelt sind (in unserem Beispiel dreifach), verstärkt sich der Effekt der täglichen Kumulierung über längere Haltezeiträume. Je volatiler der zugrunde liegende Wert, desto höher das Risiko einer Abweichung der tatsächlichen Wertentwicklung des gehebelten Short-ETPs von der erwarteten Performance (d. h. der kumulativen Performance der zugrunde liegenden Anlage multipliziert mit dem Hebelfaktor). Bei Anleihen hoher Qualität, wie deutschen Bundesanleihen, dürfte diese Abweichung aber eher gering ausfallen. Ausgehend von einer niedrigen Volatilität von rund 4% ergaben sich bei Haltedauern über mehrere Wochen für dreifach gehebelte, die Entwicklung deutscher Bundesanleihen nachvollziehende Short-ETPs Renditen, die den Erwartungen sehr nahe kamen.
Diese Entwicklung ist auch in Grafik 3 dargestellt: In diesem Fall wurden dreifach gehebelte Short-ETPs mit Nachbildung zehnjähriger deutscher Bundesanleihen jeweils über eine Periode von 20 Tagen nach dem EU-Referendum gehalten, also einem Zeitraum mit erhöhter politischer Ungewissheit in Europa. Dabei hätten sich inverse Renditen von nahezu dem Dreifachen der zugrundeliegenden Anlage ergeben.
Grafik 3: Sensitivität gehebelter Short-ETPs und zugrunde liegender Anlage gegenüber Zinsänderungen
Quellen: WisdomTree, Bloomberg. Daten vom 23. Juni 2016 bis zum 16. Mai 2017.
* Daten für den Boost Bund 10Y 3x Short Daily ETP (3BUS).
** Anwendung des zugrunde liegenden Index für deutsche Bund-Futures, die der 3BUS nachbildet.
Fazit
Anleger sollten die Risiken im Umfeld deutscher Bundesanleihen nicht unterschätzen. Maßgeblich hierfür ist die Gemengelage aus Inflationserwartungen und dem Auslaufen der quantitativen Lockerung mit sich daraus ergebenden Herausforderungen für den Fixed-Income-Markt. Short-ETPs können als effiziente Instrumente zur Absicherung von Positionen von Anleihen hoher Qualität dienen, wie z. B. deutsche Bundesanleihen, US Treasuries oder UK Gilts. Dies gilt selbst für längere Haltedauern. Folglich ist zur Aufrechterhaltung der entsprechenden Hedging-Position auch nur in geringem Umfang ein Rebalancing erforderlich, so dass Short-ETPs als kostengünstige Instrumente für die Absicherung von Anleiheportfolios dienen können.
1 Die Duration führt nur bei geringen Renditeänderungen zu genauen Ergebnissen. In dem vereinfachten Konzept sind maßgebliche exogene Fundamentalvariablen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nicht berücksichtigt, wie die Inflation sowie Ausfall- und Liquiditätsrisiken, die sich auf das Zinsniveau auswirken können.