Ausblick: Geopolitisches Risiko hält Goldpreis fürs Erste hoch
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Gold hat viele Gesichter. Mal fungiert es wie ein monetärer Vermögenswert, das heißt als eine zum US-Dollar oder Euro alternative Währung, die in geldpolitischen Straffungsphasen an Wert verliert. Mal gilt es als sicherer Anlagewert – als der Hafen, den Anleger auf der Suche nach Schutz vor unsicherheitsbedingten Marktschwankungen anlaufen. Im Moment scheint uns Gold sein zweites Gesicht zu zeigen, da es während eines Großteils des Jahres von seinen Sicherheitsmerkmalen profitierte.
Die Teilstilllegung des öffentlichen Dienstes in den USA, das Säbelrasseln Japans und der USA auf der einen und Nordkoreas auf der anderen Seite, die Verschärfung des Handelsstreits zwischen den weltweit größten Volkswirtschaften, die sich verschlechternden Beziehungen zwischen Russland und den NATO-Ländern, die schon Züge eines kalten Krieges tragen, die mögliche Wiedereinführung der Sanktionen gegen den Iran sowie dessen Stellvertreterkriege gegen Saudi-Arabien sind nur einige der Umstände, die für Unruhe unter den Anlegern gesorgt haben. Vor diesem Hintergrund kommt es nun bei zyklischen Werten nach Jahren der Sorglosigkeit regelmäßig zu sprunghaften Abwärtsbewegungen. In den letzten Tagen trugen insbesondere die drohenden Militärschläge gegen Syrien zur Beunruhigung bei.
Wäre Gold kein sicherer Hafen, stünde es nach unserer Überzeugung nicht bei 1345 USD/oz. (16. April 2018), sondern viel tiefer. In den USA steigen die Zinsen. Laut dem jüngsten Protokoll des Offenmarktausschusses sind sich dessen Mitglieder darin einig, dass sich die US-Wirtschaft gefestigt hat und dass die Inflation steigt. Die ehemalige Vorsitzende Yellen, die trotz fehlenden Stimmrechts nach wie vor großen Einfluss hat, ist der Überzeugung, dass sich der flaue Arbeitsmarkt belebt. Der Offenmarktausschuss scheint eine Inflation über der Zielmarke eher tolerieren zu wollen als darunter. Gleichwohl ist keines der Mitglieder der Meinung, dass die Abwärtsrisiken der Preise das Teuerungspotenzial überwiegen (zum ersten Mal seit 2011, als die Fed begann, derartige Daten zu veröffentlichen). So hat sich die Verteilung der Punkte im Dotplot-Streudiagramm (das wiedergibt, wo die Ausschussmitglieder die Leitzinsen am Jahresende sehen) seit Dezember 2017 unübersehbar verschoben. Derzeit erwarten jeweils gleich viele Mitglieder drei beziehungsweise zwei weitere Zinsanhebungen (zusätzlich zur Zinsanhebung im März). Es braucht wahrscheinlich nicht viel, um dieses Gleichgewicht zugunsten der Fraktion mit höheren Zinserwartungen zu kippen.
Inflation nimmt Fahrt auf
Wir erwarten einen Anstieg der US-Inflation von 2,4 Prozent im März 2018 auf 2,6 Prozent im Dezember 2018. Ein Anstieg der Inflation wirkt sich im Allgemeinen stützend auf Gold aus. Die prognostizierten Inflationsraten dürften der Fed zwar Unbehagen bereiten, doch kann sie angesichts der zeitlich verzögerten Wirkung geldpolitischer Maßnahmen vorerst wenig tun, um dem seit 2017 wachsenden Inflationsdruck entgegenzuwirken. Wir meinen, dass 2018 noch mindestens zwei weitere Zinsanhebungen erforderlich sind, um die Inflationserwartungen ausreichend zu verankern. Eine dritte Zinsanhebung sollte angesichts der erwähnten veränderten Haltung innerhalb der Fed nicht ausgeschlossen werden. Das Umfeld höherer Zinsen dürfte sich negativ auf den Goldpreis auswirken.
Verbraucherpreisinflation Prognose
Quelle: Bloomberg, ETF Securities. Stand: 12. April 2018. Die in der Vergangenheit erzielte Performance ist kein Anhaltspunkt für zukünftige Ergebnisse. Sie können in einen Index nicht direkt investieren.
Verzinsung von US-Staatsanleihen
Als die Zinsen 2017 gestrafft wurden, flachte die Renditekurve der Treasuries ab. Während die Leitzinsen zwischen Dezember 2016 und Dezember 2017 um 75 Basispunkte angehoben wurden, ist die nominale Verzinsung der zehnjährigen US-Staatsanleihen von 2,60 Prozent auf 2,34 Prozent gesunken. In diesem Jahr ist die US-Renditekurve wieder steiler geworden. Zehnjährige Treasuries werden derzeit mit 2,79 Prozent verzinst, und wir rechnen bis Ende 2018 mit einem Anstieg auf 3,1 Prozent.
Nominale Verzinsung zehnjähriger US-Anleihen Prognose
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Quelle: Bloomberg, ETF Securities. Stand: 12. April 2018. Die in der Vergangenheit erzielte Performance ist kein Anhaltspunkt für zukünftige Ergebnisse. Sie können nicht direkt in einen Index investieren.
US-Dollar
Wir erwarten zudem eine Aufwertung des US-Dollar, das heißt eine Umkehrung der Dollarschwäche im Jahr 2017. Der handelsgewichtete USD-Index DXY wird unseren Erwartungen zufolge von aktuell 90 auf 101 bis 103 Punkte ansteigen. 2017 lasteten auf der Entwicklung des US-Dollar die schleppende Umsetzung der von der Regierung Trump in Aussicht gestellten Konjunkturmaßnahmen, das Ausbleiben der Steuer- und Haushaltsreform und die generelle Aufwertung von Euro und Yen. Einige dieser Faktoren werden den Dollar auch 2018 zurückhalten, doch werden die steigenden Zinsen Unterstützung bieten. Im weiteren Verlauf dürfte sich die Fed noch stärker vom Kurs der EZB und der Bank of Japan entfernen, und die allzu langsame Drosselung der quantitativen Lockerung in Europa und Japan beginnt die Marktteilnehmer zu enttäuschen. Dies spricht für eine Abwertung von Euro und Yen.
USD-Wechselkurs Prognose
Quelle: Bloomberg, ETF Securities. Stand: 12. April 2018. Die in der Vergangenheit erzielte Performance ist kein Anhaltspunkt für zukünftige Ergebnisse. Sie können nicht direkt in einen Index investieren.
Geopolitik – das Zünglein an der Waage
Da wir der Ansicht sind, dass die Fed die Zinsen in diesem Jahr noch zwei- bis dreimal anheben, der US-Dollar aufwerten und die Verzinsung der US-Staatsanleihen steigen wird, gehen wir davon aus, dass die Goldpreise ohne ein Aufflammen des geopolitischen Risikos fallen werden. Eine leicht höhere Inflation allein reicht zu ihrer Stützung nicht aus, außer es hat den Anschein, als würde die Fed die Kontrolle verlieren (was wir nicht glauben). In unserem Modell messen wir die geopolitische Angst im Markt anhand der spekulativen Positionierung bei Gold-Kontrakten. In unserem Basisszenario, in dem die geopolitischen Risiken nachlassen, könnte sich die vor zwei Wochen bestehende Netto-Long-Positionierung von über 200.000 Kontrakten auf rund 120.000 Kontrakte normalisieren. Dann wäre es auch wahrscheinlich, dass der Goldpreis auf 1275 bis 1280 UDS/oz. zurückfällt. Er könnte allerdings bei ansonsten unveränderten Annahmen auch auf 1375 bis 1380 USD/oz. steigen, wenn sich die Long-Spekulation auf 250.000 Kontrakte netto ausweitet.