Erdöl: Auch in Zukunft Backwardation
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Aufgrund einer wahrgenommenen Knappheit beim kurzfristigen Angebot1 befanden sich die Öl-Futures-Kurven im vergangenen Jahr meist in einer Backwardation-Situation – also wenn der zeitlich nähere Futureskontrakt zu einem höheren Preis verkauft werden kann als der Preis für einen Futureskontrakt mit einer zeitlich weiter entfernt liegenden Fälligkeit, was für den Investor zu einem Gewinn führt. Neben den Gewinnen aus den Schwankungen der Öl-Spotpreise hat dies den Investoren außerdem eine „Rollrendite“ beschert.
Obwohl der Ölmarkt unseres Erachtens zurzeit ausgeglichen ist, herrscht in bestimmten Bereichen eine Angebotsknappheit – vor allem bei schwereren Rohölsorten. Dies könnte ausreichen, um auch in Zukunft zumeist eine Backwardation-Situation bei der Öl-Futures-Kurve sicherzustellen. In diesem Artikel sehen wir uns die aktuelle Dynamik zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Ölmarkt genauer an.
Ölkurve in Backwardation
Die aktuelle Backwardation-Situation der Ölkurve wurde größtenteils von der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) herbeigeführt. Seit Januar 2017 beschränkt das Erdölkartell das Ölangebot, indem es an seine Mitglieder und Partner Quoten für die von ihnen geförderten Rohölmengen vergibt. Obwohl den Quoten des Kartells in der Vergangenheit nur mäßig Folge geleistet worden ist, haben sie dieses Mal außergewöhnlich gut funktioniert. Begründet werden kann dies teilweise damit, dass bis Juni 2018 jedes Land eine eigene Quote zugeteilt bekommen hat (im Gegensatz zu einem Gesamtlimit für die Gruppe) – dies hat eine Begrenzung des Ölangebots begünstigt.
Ein weiterer Aspekt, der zur Einhaltung der Quoten durch die OPEC beigetragen hat, waren unbeabsichtigte Produktionsunterbrechungen. In Venezuela ist es vor Kurzem zu einem Zusammenbruch der Wirtschaft gekommen, was sich stark auf die Ölproduktion ausgewirkt hat. Versorgungsausfälle in Libyen und Nigeria haben die Angebotsvolatilität der OPEC ebenfalls begünstigt.
Kann sich die Backwardation halten?
Im Juni 2018 hat sich die OPEC wieder von Quoten für einzelne Länder abgewendet, weshalb die hohe Einhaltung der Quoten, wie dies im Laufe des vergangenen Jahres zu beobachten war, möglicherweise nicht von Dauer ist, falls die Organisation wieder in das alte System zurückfällt. Dies könnte erklären, warum die Brent-Futures-Kurve im Juli und August ganz vorne wieder in eine Contango-Situation – wenn es mehr kostet, den neuen Futureskontrakt zu kaufen, als der aus dem Verkauf des alten Futureskontrakt erhaltene Betrag – umgeschwenkt ist. Saudi-Arabien – das größte Land in der OPEC – hat seine Produktion seit dem Ende des Länderquotensystems ganz klar ausgeweitet, dasselbe ist in anderen Ländern der Fall.
Nach der Rückkehr zu einer vollkommen in Backwardation befindlichen Kurve, ist das kurze Ende der Kurve nun wieder im Contango. Dies wird durch die Befürchtungen bezüglich eines Überangebots durch eine steigende Anzahl von Förderanlagen in den USA sowie Verzögerungen bei der vollständigen Verhängung der Sanktionen gegen den Iran untermauert. Trotz dieser aktuellen Entwicklungen erwarten wir nicht, dass sich dies langfristig auf das Angebot auswirken wird. Während das vordere Ende der Kurve gegenüber Wechseln anfälliger bleiben wird, gehen wir nicht davon aus, dass sich eine Contango-Situation dauerhaft auf der Kurve halten wird.
Abbildung 1: Unterschied bei der Erdölproduktion der OPEC-Länder im Jahresvergleich
Quelle: Bloomberg, WisdomTree, Daten verfügbar bis Schlusskurs vom 5. Oktober 2018.
Die historische Performance ist kein Anhaltspunkt für die künftige Performance und jedes Investment kann im Wert sinken.
Knappheit konzentriert sich auf schweres Rohöl
In Bezug auf Versorgungsausfälle ist das Angebot an „schwereren“ Rohölen unseres Erachtens stärker gefährdet. Venezuela, der Iran und Kanada produzieren „schwere“ (niedriger API-Grad), „saure“ (hoher Schwefelanteil) Rohöle und in diesen Ländern ist es dieses Jahr zum Großteil der Versorgungsausfälle gekommen.
Das weltweit stärkste Wachstum beim Rohölangebot kommt derzeit aus US-Schieferöl, das „leicht“ (hoher API-Grad) und „süß“ (niedriger Schwefelanteil) ist. Obwohl die globale Angebotsbilanz bei Rohöl insgesamt also fast ausgeglichen ist, wächst die Ölproduktion auf ungleichmäßige Weise, da das Angebot von schweren Rohölen rückläufig ist und beim Angebot von leichten Rohölen Zuwächse verzeichnet werden2.
Außerdem gibt es bei US-Schieferöl zwar ein Angebotswachstum, dieses Wachstum ist jedoch begrenzt. Die Infrastruktur muss mit dem Wachstum der Ölproduktion Schritt halten und Einschränkungen bei der Infrastruktur könnten die Geschwindigkeit bremsen, mit der US-Schieferöl zur Deckung des globalen Ölbedarfs beitragen kann.
Nachfrage zunächst weiter hoch
Den Prognosen der International Energy Agency (IEA) zufolge besteht weiterhin eine gesunde Nachfrage nach Öl. Die IEA erwartet 2018 einen Anstieg der Nachfrage nach Öl um 1,4 Millionen Barrel pro Tag und 2019 um 1,5 Millionen Barrel pro Tag (nach einem Anstieg von 1,5 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2017). Mittelfristig ist es wahrscheinlich, dass der Mangel an Investitionen in die Ölproduktion zu einer Knappheit führen wird, wenn die Nachfrage weiterhin hoch bleibt.
Backwardation bei Öl-Futures wahrscheinlich von Dauer
Obwohl der Markt unseres Erachtens zurzeit ausgeglichen ist, herrscht in bestimmten Bereichen eine Angebotsknappheit. Dies könnte ausreichen, um die Futures-Kurve zumeist in einer Backwardation-Situation zu belassen.
Unserer Ansicht nach ist keine neue Angebotswelle zu erwarten, da ein Mangel an Investitionen in die Erschließung von Ölquellen und in die Ölproduktion für eine Begrenzung des Angebot sorgen dürfte. Schon eine weitere Erschütterung des Angebots in Libyen oder Kanada könnte Zweifel an der Versorgung aufkommen lassen. Angenommen, dass die zuversichtlichen Nachfrageerwartungen von heute nicht unbegründet sind, wird die Nachfrage unseres Erachtens außerdem stabil bleiben.
Quelle
1Eine umfassende Erläuterung der Begriffe Backwardation, Contango, Rollrenditen, Spot-Rendite, Gesamtrendite, Überrendite und Sicherheitenrendite finden Sie auf den Seiten 48–52 der ETPedia (Kapitel „Rohstoffindizes verstehen“)..
2 Energy Information Administration, WisdomTree, Daten verfügbar mit Stand zum 4. Oktober 2019.
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