Edelmetalle gewinnen an Glanz – Anleihen verlieren an Attraktivität
Wenn Negativrenditen zum neuen „Normalzustand“ werden, ist Gold im Vergleich zu Anleihen ein sichererer Hafen
Für Gold- und Silber-Futures zeigt sich ein neuer Aufschwung – jedoch wohl eher wegen des rückläufigen Trends bei hochwertigen Anleihen als wegen der Entwicklung von Angebot und Nachfrage, also der Fundamentaldaten für Edelmetalle.
+ Die expansive quantitative Lockerung und fehlende Leitzinsuntergrenzen zwingen die Märkte, über die gesamte Laufzeitstruktur der Anleihemärkte ein Negativzinsumfeld einzupreisen
+ Sobald sich die um die reale Inflation bereinigten Renditen in den Negativbereich bewegen, sind die Erträge aus den traditionell als „sicherer Hafen“ betrachteten hochverzinslichen Anleihen nicht mehr darstellbar
+ Bei ausschließlich von der Kursentwicklung bestimmten Renditen werden diese Anleihen zunehmend zu spekulativen Anlagen. Im Vergleich ist Gold dann ebenso sicher, wenn nicht sogar sicherer
+ Aus Sicht der Portfoliostrukturierung könnte die starke Entwicklung des Goldpreises zur weiteren Diversifizierung von Multi-Asset-Portfolios beitragen, da sie mit der Entwicklung auf den Aktien- und Anleihemärkten negativ korreliert ist
Just zu dem Zeitpunkt, da sich die Befürchtungen über eine Konjunkturdelle in China abschwächten und sich Rohstoffe im Gleichklang mit dem breiten Aktienmarkt weltweit erholten, wurde das Marktvertrauen durch das „Brexit“-Votum erneut erschüttert. Die Risiken erhöhten sich, und das Preisniveau für als „sichere Häfen“ geltende Anlagen erscheint zunehmend unangemessen – insbesondere in Europa. Einerseits erreichen die Dividendenrenditen an den Aktienmärkten ein seit der Finanzkrise nie gekanntes Hoch. Andererseits sind die Renditen erstklassiger Staatsanleihen auf ein neues Rekordtief gefallen. Dazu kommt, dass sich für Staatsanleihen hochverschuldeter Länder derzeit angesichts der umfangreichen geldpolitischen Maßnahmen, die für den auf sehr niedrigem Niveau bewerteten Bankensektor weitgehend wirkungslos bleiben, neue Risiken ergeben. Die Befürchtungen im Hinblick auf systemische Risiken werden dadurch erneut angefacht.
Gold: ein glänzendes Comeback
Zuvor als „sicherer Hafen“ mit nicht gerade positivem Image bewertet, hat Gold nun erneut an Attraktivität gewonnen. Im laufenden Jahr zeigte sich für Edelmetalle ein deutlicher Aufwärtstrend. Dabei ergab sich für Gold- und Silber-Futures ein Anstieg von 27 % bzw. 48 %. Die damit verbundene positive Einschätzung widerspiegelt sich in den in diesem Jahr hohen Zuflüssen in Gold-ETPs: In Gold-ETCs wurden im bisherigen Jahresverlauf USD 21 Mrd. investiert – eine deutliche Trendumkehr im Vergleich zu dem im vergangenen Jahr abgezogenen Volumen von USD 3,4 Mrd.
2011-2015: „Realzins“-Umfeld lenkt Anleger in sichere Häfen
Nach dem spektakulären Einbruch im Jahr 2011 hat sich die Wahrnehmung von Edelmetallen im Laufe des vergangenen Jahres geändert. Anleger betrachteten diese angesichts der wachsenden Ungewissheit und hohen Inflation als sichere Häfen. Sie investierten in Gold, als die Zentralbanken zu einer extrem lockeren Geldpolitik übergingen und die Rohstoffpreise – vor allem Rohöl – anzogen und Inflationserwartungen schürten. Während und unmittelbar nach der Finanzkrise war diese Situation eindeutig gegeben. Nach dem Platzen der „Goldblase“ im Zeitraum von 2011 bis 2015 verharrte der Preis des Edelmetalls angesichts des hochgradig unsicheren politischen und wirtschaftlichen Umfelds jedoch über weite Strecken auf niedrigem Niveau.
Besonders deutlich wurde dies durch das Versagen des US-Kongresses bei der Anhebung der Schuldenobergrenze und dem nachfolgenden „Shutdown“ der US-Regierung im Herbst 2013. Während dieser kurzen Episode, die für die Anleihemärkte zu einer existenziellen Bedrohung führte, zeigten sich an den Geldmärkten unmittelbare Auswirkungen in erheblicher Größenordnung. Dabei stiegen die Renditen von US T-Bills in den ersten beiden Wochen des Monats Oktober auf ein Vielfaches. Dennoch verblieb Gold während dieses Zeitraums gewissermaßen im „Schlafmodus“. Entgegen den Erwartungen gaben Gold- und Silber-Futures nach, so dass Edelmetalle zum Ende des Jahres 2013 auf sehr tiefem Niveau verharrten.
Was geschah aus welchem Grund?
Entscheidend für den auch im Jahr 2013 anhaltend niedrigen Goldpreis war die Tatsache, dass der Markt höhere positive Langfristzinsen einpreiste, als die Fed ihre Absicht äußerte, ihr Programm zum Ankauf von Staatsanleihen einzustellen, also die quantitative Lockerung auslaufen zu lassen. Dieses Signal einer erneuten Verschärfung der Geldpolitik war Grund genug für Investoren, im Hinblick auf Anleihen eine konservativere Position einzunehmen, wodurch sich in der Folge sowohl nominal als auch real eine deutliche Umkehr des Trends fallender Zinsen ergab.
2016: Extrem lockere Geldpolitik und Negativzinsen begünstigen Gold
Bei Betrachtung der aktuellen Situation in den USA ergibt sich für Gold und Anleihen ein genau entgegengesetztes Szenario: Gold ist als Anlage auch weiterhin attraktiv, da sich auf makroökonomischer Ebene paradoxerweise weiter eine Disinflation zeigt. Nach der vollständigen Abwicklung des Programms zur quantitativen Lockerung Anfang des Jahres 2015 und der nach zehn Jahren ersten Leitzinserhöhung durch die Fed (auf 25-50 BP im Dezember letzten Jahres) ist die Politik der US-Zentralbank weiterhin in jedem Fall als sehr locker zu bezeichnen: Die Kerninflation liegt bei etwa 2 % und ist jüngst angesichts der weitgehend beibehaltenen Politik der Ausgabenförderung gestiegen.
In Japan spricht die wirtschaftliche Lage derzeit für eine inflationsfreundliche Geldpolitik. Das Land dient für die Fed und die europäischen Zentralbanken als Beispiel dafür, dass sich eine Bekämpfung der Inflation einfacher gestaltet als Maßnahmen gegen eine Deflation. Die in Japan im April 2014 von 5 % auf 8 % (und im Oktober 2015 auf 10 %) angehobene Umsatzsteuer hat zu einer Verringerung der Verbraucherausgaben geführt und die Inflationsdynamik, die die Japanische Zentralbank mit ihrem Programm der quantitativen Lockerung mit aller Macht erzeugen wollte, „beerdigt“.
Daher werden weitere Erhöhungen der US-Leitzinsen – sofern sie in diesem Jahr überhaupt zu erwarten sind – eher langsam zum Tragen kommen und moderat ausfallen. Die Fed müsste schon mit einer ausgeprägten Lohninflation konfrontiert sein, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass die Verbraucherpreise insgesamt nachhaltig um die langfristige Zielmarke von 2 % steigen. Angesichts der fehlenden Faktoren auf der Nachfrageseite, welche die Inflation ankurbeln könnten, würde ein verzögerter Zyklus der Leitzinserhöhung bewirken, dass die Renditen von US Treasuries für die Anleger kaum Erträge generieren, die zu einem angemessenen Inflationsausgleich führen. Die Zinskurve für US Treasuries verläuft bereits jetzt zu einem großen Teil – für Laufzeiten bis zu fünf Jahren – unter der Gesamtinflation. Bei Herausrechnung der Volatilität im Lebensmittel- und Energiesektor läge sogar die Renditeentwicklung von über zehn Jahre laufenden US Treasuries unter dem Inflationsniveau. Folglich sind Investoren gezwungen, erhebliche Laufzeit- und Kreditrisiken einzugehen, um mit US-Anleihen überhaupt noch reale Erträge zu erzielen.
Disinflation führt zu kontinuierlichem Rückgang der Anleiherenditen
Die außergewöhnlich lockere Geldpolitik und eine zunehmende Produktionslücke haben in Europa bei Anleiherenditen zu einem neuen Tiefstand im Negativbereich geführt. Lang laufende Staatsanleihen haben sich jüngst in die Negativzone bewegt – nicht nur nominal, sondern auch real. Wie aus Grafik 1 ebenfalls ersichtlich, rechnet man am Markt nun damit, dass die langfristigen Realzinssätze in Deutschland, Frankreich, Schweden und schließlich Großbritannien der Entwicklung in Japan folgen und sich im Negativbereich von 0,8 bis 1,0 % einpendeln dürften.
Falls es in einem Deflationsumfeld zu negativen nominellen Anleiherenditen kommt, könnten sich Anleihepositionen weiterhin als vorteilhaft erweisen – beispielsweise dann, wenn die Deflation höher als die negative Nominalrendite ausfällt. So haben die japanischen Haushalte seit Jahrzehnten ihre Anlagen in Barreserven und Anleihen mit niedrigen Renditen umgeschichtet, da die reale Kaufkraft erhalten blieb. In einem Umfeld mit nominellen Renditen, die unter der Inflationsrate liegen, und bis zur Endfälligkeit gehaltenen Anleihen geht die Kaufkraft jedoch verloren. Der Barwert von Zins und Kapital läge dann unter dem ursprünglich investierten Betrag, was für die Anleger insgesamt zu einem Realverlust führen würde.
Europa folgt Japan
Auch die von der EZB betriebene quantitative Lockerung und die Null-/Negativzinsen in Dänemark, Schweden und der Schweiz werden uns voraussichtlich noch über längere Zeit begleiten, da Europa die während der Finanzkrise entstandene Produktionslücke erst noch schließen muss. Daraus ergibt sich für die entsprechenden Länder eine Anfälligkeit für Deflationsrisiken. Grafik 2 verdeutlicht, dass diese nicht zu unterschätzen sind: In ganz Europa stiegen die Verbraucherpreise nur mit Mühe um die von den Zentralbanken seit dem Jahr 2009 verfolgte Zielmarke von 2 %. Dabei kam es überwiegend zu keiner inflationären Entwicklung oder sogar – wie im Falle der Schweiz – zu einer echten Deflation.
Um den Zeitraum, über den das Negativzinsumfeld in Europa voraussichtlich fortbestehen wird, abschätzen zu können, ist eine Betrachtung der Situation in den USA und der Dauer bis zur Schließung der dortigen Produktionslücke sinnvoll. So ergibt sich bei annähernder Gleichsetzung der Produktionslücke mit den seit der Finanzkrise abgebauten Stellen, dass die seit dem Jahr 2008 in den USA netto geschaffenen mehr als 4 Millionen neuen Stellen mit mehreren Phasen der von der Fed betriebenen quantitativen Lockerung zusammenfielen. Diese Entwicklung dauerte über nahezu 40 Monate an[1]. Im gleichen Zeitraum wurden im Euro-Raum 3,3 Millionen Stellen abgebaut, jedoch verfolgt die EZB ihr Programm der quantitativen Lockerung noch nicht einmal seit einem Jahr. Daher ist für den Euro-Raum mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass diese Politik über das Jahr 2017 hinaus fortgeführt wird. Ebenso ist von einer weiteren Ausbreitung der Negativrenditen über deutsche Bundesanleihen hinaus auszugehen, wovon ein Großteil der langfristigen Struktur der Emission erstklassiger Staatsanleihen in Ländern wie Frankreich, Österreich, den Niederlanden, Belgien und Finnland betroffen sein dürfte.
Rund ein Viertel der im Euro-Raum im Umlauf befindlichen Staatsanleihen erzielen derzeit negative Renditen. Wenn also Anleiheemittenten für die Kapitalaufnahme vergütet werden, akzeptieren die Käufer einen Abschlag auf die von ihnen ausgereichten Beträge. Das Halten von Anleihen mit Negativrenditen bis zur Endfälligkeit ist also wenig sinnvoll – es sei denn, die Anleger gehen von einer echten Deflation aus. Anlagen in Fixed-Income-Produkte erhalten aus dieser Perspektive zunehmend spekulativen Charakter. Diese Entwicklung wird nicht von der Kaufkraft von Zins und Kapital bestimmt, sondern vielmehr von erwarteten Kurssteigerungen und Verengungen der Kredit-Spreads. Bei Betrachtung der Edelmetalle, für die keine entsprechenden Ertragsströme zu verbuchen sind, ähneln Fixed-Income-Produkte zunehmend Anlagen in Gold.
Positive Einschätzung für Gold angesichts des Trends in Richtung Deflation
Die Attraktivität von Anlagen in Gold speist sich zum einen aus der quantitativen Lockerung und zum anderen aus der im Euro-Raum noch immer großen, zu schließenden Produktionslücke. Investoren, die eine Diversifizierung ihrer Portfolios anstreben, könnten zu dem Schluss gelangen, dass Gold inzwischen zu einer attraktiveren Anlageoption geworden ist.
Für Anleger, die eine solche Strategie umsetzen möchten, stehen folgende Produkte zur Verfügung: