Countdown für „Taper Tantrum“ der EZB: Rückführung des QE-Programms möglicherweise mit negativem Effekt auf sichere Häfen – Hedging von deutschen Bundesanleihen mögliche Option
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Die „Reflation“ ist passé: Wenn Mario Draghi heute den EZB-Ausstiegsplan aus dem QE-Programm bekannt gibt, so ist dies das bisher eindeutigste offizielle Signal dafür, dass die EZB die Konjunkturerholung im Euroraum als zunehmend selbsttragend einschätzt. Folglich könnte sich die Stimmung an den Anleihemärkten bereits lange vor Entstehen eines eventuellen Inflationsdrucks eintrüben (wenn es zu diesem überhaupt in nennenswerter Größenordnung kommt). Bei fehlenden kurzfristigen Inflationsrisiken wirkt sich der EZB-Schritt möglicherweise deutlich negativ auf die Anleihemärkte aus.
Mutmaßungen über QE-Ausstieg fördern Skepsis an Anleihemärkten über den Oktober hinaus
Bereits eine von Mario Draghi geäußerte bloße Andeutung einer Rückführung des QE-Programms zu einem späteren Zeitpunkt könnte an den Anleihemärkten noch lange nach dieser Ankündigung zu negativen Auswirkungen führen. Dazu muss die EZB nicht einmal das Ausmaß der Reduzierung des Programms quantifizieren. Verwiesen sei an dieser Stelle auf die Aussage des früheren Fed-Präsidenten Ben Bernanke vor dem US-Kongress am 22. Mai 2013, wonach die US-Notenbank vorbehaltlich einer konjunkturellen Erholung die Größenordnung der Anleihekäufe möglicherweise „herunterfahren“ wolle. Die gravierenden Auswirkungen auf die Anleihemärkte zeigten sich bereits weit vor der Bekanntgabe der Reduzierung der Anleihekäufe durch die US-Regierung um USD 10 Mrd. im Dezember desselben Jahres.
Das damals beobachtete Phänomen des „Taper Tantrum“ dient als geeigneter Bezugsrahmen, wenn es um die Einschätzung geht, bis zu welchem Grad sich die Stimmung an den sicheren Häfen des Euroraums nach der EZB-Sitzung am 26. Oktober eintrüben könnte.
Wie schwerwiegend können also die Auswirkungen sein?
Countdown für "QE Taper Tantrum" der EZB
100 Werktage vor und nach Ankündigung
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Quelle: WisdomTree, Bloomberg
Wie in der Grafik dargestellt, zogen die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen nach der Bernanke-Rede vor dem Kongress am 22. Mai 2013 drastisch an. Sie stiegen im Laufe von drei Monaten um über 100 BP bis auf einen Höchststand knapp unter 3 %, gefolgt von einer Stabilisierung etwa 20 BP darunter.
Könnte also ein durch den EZB-Schritt ausgelöstes „Taper Tantrum“ einen Präzedenzfall für die sicheren Staatsanleihen des Euroraums schaffen, so dass diese in ähnlicher Weise wie während des durch die Fed im Jahr 2013 hervorgerufenen „Taper Tantrum“ dem Druck nachgeben? Ein besonderes Risiko besteht hier für deutsche Staatsanleihen (Schätze, Bobls, Bunds), die nicht nur nahezu ein Viertel des QE-Volumens von EUR 1,8 Bio. ausmachen, sondern selbst in der derzeitigen Phase sich verfestigender makroökonomischer Fundamentaldaten für den Euroraum nach wie vor außergewöhnlich hoch bewertet sind. Da die Rendite von zehnjährigen US-Staatsanleihen unmittelbar vor der Bernanke-Rede zur möglichen Rückführung des QE-Programms bei knapp 2 % gelegen hatte, könnte die für über zehn Jahre laufende deutsche Staatsanleihen derzeit verzeichnete Rendite von rund 40 BP möglicherweise nur den Auftakt zu einer noch schärferen Preiskorrektur darstellen.
Zehnjährige deutsche Staatsanleihen zeigten im bisherigen Jahresverlauf deutliche Ausschläge und tendierten seitwärts. Dabei deutet die uneinheitliche Renditeentwicklung darauf hin, dass ein mögliches Ende des von der EZB aufgelegten QE-Programms im zweifellos höchstfrequentierten Markt Europas erst noch ankommen muss. So bewegten sich die Renditen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen erst im Oktober 2016 aus dem Negativbereich heraus. Angesichts der in diesem Jahr auf niedrigem Niveau um 30-40 BP verzeichneten Schwankungen erscheinen die Anleger als eher mutlos.
Sich verfestigende fundamentale Nachfragedaten stützen reale Inflationsrisiken
Nach einem Ausstieg aus dem QE-Programm dürften sich die Verbraucherpreise an einer strukturell bedingt steigenden Inlandsnachfrage ausrichten. Gefördert würde diese Entwicklung durch die auf Wachstum ausgerichtete Reformagenda in Frankreich, die in den nächsten Jahren die Erholung des Arbeitsmarktes des Euroraums über Deutschland hinaus ausweiten dürfte. Hier liegt längerfristig das reale Risiko für die europäischen Anleihemärkte – und nicht in den sporadischen, zyklischen Schockwellen der Euro-Schwäche und erhöhten Ölpreisschwankungen, die zu Druck auf die Importkosten und zu kurzzeitigen, durch Basiseffekte bedingten Anstiegen des Verbraucherpreisindex führen. Das Auslaufen des QE-Programms ist dabei nur als „Vorspiel“ zu betrachten. Die kontinuierliche Steigerung der Inflationsrate in Deutschland und im Euroraum liegt bereits deutlich über dem langfristigen Renditeniveau erstklassiger Anleihen. Dies deutet darauf hin, dass jüngste Handelsaktivitäten zunehmend spekulativer Natur sein könnten, wobei die Anleger auf ein Anziehen der Kurse oder eine Verengung der Spreads wetten. Im Unterschied zu strategischen Investoren, die auf der Suche nach realen positiven Erträgen sind, könnten diese Anleger als erste das Handtuch werfen, wenn die EZB das Auslaufen des QE-Programms verkündet. Die in diesem Jahr verzeichnete erratische Entwicklung der Renditen deutscher Staatsanleihen weist darauf hin, dass sich der spekulative Handel mit Bundesanleihen intensiviert zu haben scheint.
Implikationen für Anleiheinvestoren und Hedging-Strategien
Aus heutiger Sicht erscheinen nach dem Beginn des QE-Programms im März 2015 eingegangene Engagements in erstklassigen europäischen festverzinslichen Wertpapieren besonders risikoreich und anfällig gegenüber einer Zinsanhebung.
So sind Anleger, die für Engagements in den sicheren Häfen des Euroraums zu sehr niedrigen Kuponzinsen mit positiven Rücknahmerenditen hohe Laufzeitrisiken eingegangen sind, mit einer hohen Konvexität und hohen Duration konfrontiert und müssen möglicherweise erhebliche Kapitalverluste in ihren Portfolios in Kauf nehmen.
Mit der Lüftung des Schleiers der künstlichen Stützung von erstklassigen Staats- und Unternehmensanleihen des Euroraums durch die EZB-Ausstiegspläne aus dem QE-Programm werden sich die Kurse an den Anleihemärkten wieder in Richtung harter, d. h. belastbarerer wirtschaftlicher Fundamentaldaten orientieren. In dieser Situation könnte ein Hedging von Fixed-Income-Portfolios mit Ausrichtung der Benchmark an Engagements in erstklassigen europäischen Werten geboten sein.
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