EZB: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen
Die europäischen Märkte rechnen bei der Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am 25. Juli mit einem weiteren Entgegenkommen. Unseres Erachtens ist es bei den makroökonomischen Daten zu keinen großen Veränderungen gekommen, sie haben sich sogar stabilisiert. Verändert hat sich allerdings das Gleichgewicht bei den aktuellen Kommentaren der EZB-Entscheidungsträger, das sich jetzt in Richtung weiterer Impulse zu einem früheren Zeitpunkt neigt. Die gemäßigtere Ausdrucksweise der EZB hat auf allen Anleihenmärkten Wirkung gezeigt, auf denen die Renditen deutlich rückläufig sind.
Aufgrund dieser gemäßigten Ausdrucksweise sowie den Berichten der letzten EZB-Sitzung nach geht die geldpolitische Lockerung der EZB unseres Erachtens in der ersten Phase in Richtung Zinssenkungen, nicht in Richtung einer quantitativen Lockerung (Quantitative Easing; QE). Bei der Sitzung am Donnerstag dieser Woche erwarten wir, dass die EZB ihre Handlungsempfehlung ändern, ihren Einlagenzinssatz um 10 Basispunkte senken und ein gestaffeltes Zinssatzsystem einführen wird, um die negativen Auswirkungen von negativen Zinsen auf die Banken abzumildern. Die EZB könnte außerdem die Einzelheiten für ein neues QE-Programm vorstellen, das im September aufgelegt werden könnte, falls sich die Wirtschaftsdaten weiter verschlechtern.
Ausdrucksweise der EZB spricht für Maßnahmen zu einem früheren Zeitpunkt
EZB-Präsident Mario Draghi gab vor Kurzem bei seiner Rede im portugiesischen Sintra die Richtung der Ausdrucksweise an, indem er erklärte, dass aufgrund einer fehlenden Verbesserung der Wirtschaftsdaten zusätzliche Impulse erforderlich seien. Aktuelle Kommentare durch die EZB-Offiziellen Philip Lane und Benoit Coeure haben der Erwartung einer Lockerung der Geldpolitik zusätzlichen Schwung verliehen. In einer Rede auf der Konferenz der Finnischen Zentralbank kommentierte Philip Lane, der im Juni dem Vorstand als Chefökonom beigetreten ist, dass Inflationsergebnisse unterhalb der Zielwerte bedeuteten, dass die EZB ihr Engagement für Preisstabilität durch vergleichsweise frühere Maßnahmen beweisen müsse, als wenn die Inflationsergebnisse näher an den Zielwerten gelegen hätten. Benoit Coeure sagte in einem Interview mit BFM Business am 9. Juli, dass die Geldpolitik „mehr denn je“ gemäßigt ausfallen müsse, und fügte hinzu, dass die Zentralbank die Zinsen senken und die Käufe von Nettovermögen neu starten könne.
Berichte der EZB-Sitzung sprechen für Impulse
Die Berichte von der EZB-Sitzung im Juni zeigten, dass die EZB eine Lockerung ernsthaft in Betracht zieht. Angesichts der erhöhten Unsicherheit bezüglich der Wirtschaft in der Eurozone und der fortgesetzten Risiken, ist der EZB-Rat bereit für die Freigabe neuer Impulsmaßnahmen. Die Berichte zeigten, dass die Maßnahmen der EZB eine weitere Ausweitung und Stärkung der Handlungsempfehlungen durch den EZB-Rat, die Wiederaufnahme von Nettovermögenskäufen und eine Lockerung der Leitzinsen umfassen könnte. Noch wichtiger ist, dass die Ratsmitglieder gegenüber der Einführung eines gestaffelten Zinssatzsystems in der Zukunft weiterhin offen sind.
Obwohl die Politik der negativen Zinsen durch die EZB die Kreditaufnahme gefördert hat, wird in den Berichten erwähnt, dass diese Beurteilung nicht für niedrigere Leitzinsen gelten könnte oder für Zeithorizonte, die über die in der Handlungsempfehlung des EZB-Rats vorgesehenen hinausgehen. Interessanterweise waren nicht alle Ratsmitglieder der Ansicht, dass die Strategie der EZB überarbeitet werden müsse. Im Protokoll wird jedoch die Möglichkeit für Erwägungen strategischer Natur erwähnt, um die Glaubwürdigkeit der EZB-Geldpolitik zu stärken, falls sich das Umfeld einer zu niedrigen Inflation halten könnte. Gleichzeitig wurde betont, Umsicht walten zu lassen, um sicherzustellen, dass jegliche Erwägungen strategischer Natur nicht das Hauptinflationsziel der EZB gefährdeten.
Vorerst kein QE, sofern sich die Daten nicht weiter verschlechtern
Sofern es vor September zu keinem weiteren Zusammenbruch bei der Wirtschaftstätigkeit kommt, ist es unwahrscheinlich, dass der EZB-Rat ein neues QE-Programm auflegen wird. Den aktuellen Regeln nach wird sich das erneuerte QE-Programm der EZB voraussichtlich auf 30 Milliarden Euro über die nächsten 12 bis 18 Monate beschränken und es wird zu keiner Änderung der Parameter des Programms kommen. Sollte das QE-Programm erhöht oder verlängert werden, könnte sich die EZB möglicherweise einer Knappheit beim Kauf von Vermögenswerten, also deutschen Bundesanleihen, gegenüber sehen. Es könnte notwendig werden, eine Veränderung der Emittentenobergrenzen und/oder einen Wechsel in alternative Anlageklassen wie Bankdarlehen oder sogar Aktien in Betracht zu ziehen. Mario Draghi hat bereits angedeutet, dass die Emittentenobergrenzen von derzeit 33 % auf 50 % erhöhte werden könnten.
Die endgültige Entscheidung über die Erhöhung der Emittentenobergrenze für deutsche Bundesanleihen im QE-Programm durch das Bundesverfassungsgericht steht immer noch aus und wird im weiteren Verlauf dieses Jahres erwartet. Angesichts des Widerstands der Ratsmitglieder gegen QE und die Notwendigkeit, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, erwarten wir, dass die EZB sich bei der Sitzung in dieser Woche anstelle eines QE-Neustarts für Zinssenkungen, ergänzt durch ein gestaffeltes Zinssatzsystem, entscheiden wird.