WisdomTree
Gold Monthly
June 2024
Nitesh Shah
Head of Commodities and Macroeconomic Research, WisdomTree Europe
Nitesh Shah ist Head of Commodities & Macroeconomic Research, Europe bei WisdomTree. Vor der Übernahme von ETF Securities im April 2018 war er bei dem Unternehmen Rohstoffstratege. Nitesh Shah verfügt über 20 Jahre Erfahrung als Ökonom und Stratege und deckt eine Vielzahl von Märkten und Anlageklassen ab.
Bei WisdomTree leitet er den Research für Rohstoffe und entwickelt verständliche Publikationen für ein breites Publikum. Sein Gold-Modell und seine Prognosen finden bei den Kunden hohen Anklang.
Eine Atempause – aber nicht für lange
Als Gold im April und Mai Allzeithochs erreichte, war das Edelmetall unseren Modellen zufolge überbewertet. Daher überrascht es nicht, dass die Gewinne im Juni wieder abgegeben wurden. Obwohl die unerwartet hohen Inflationszahlen im März 2024 eine Goldrallye rechtfertigten, deutet der anhaltende Gegenwind durch Anleihen und Währungen im April und Mai darauf hin, dass die Goldpreise nicht so stark hätten steigen sollen. Dennoch war die Überbewertung nicht so enorm, und der jüngste Rückgang dürfte den Goldpreis wieder ins Lot bringen.
Abbildung 1: Vergleich des tatsächlichen und prognostizierten Goldpreises
Die Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) zeigte, dass die Zentralbank es noch weniger eilig hat, die Zinsen zu senken, als bisher angenommen. Das Dotplot-Diagramm des FOMC deutet auf nur eine Zinskürzung um 25 Basispunkte im Jahr 2024 und Herabsetzungen um 75 Basispunkte im Jahr 2025 hin. Die Verzögerung der erwarteten Zinssenkungen kühlt den Goldpreis ab. Unseres Erachtens wird sich der Goldpreis im dritten Quartal 2024 weiter abschwächen, dann aber bis zum zweiten Quartal 2025 auf ein neues Allzeithoch von 2.570 US-Dollar pro Unze ansteigen.
Abbildung 2: FOMC-Dotplots
Da die Europäische Zentralbank ihre erste Zinssenkung vorgenommen hat und die Federal Reserve wohl noch einige Zeit brauchen wird, um nachzuziehen, geriet der US-Dollar unter Aufwertungsdruck. Das hat Gold im vergangenen Monat Gegenwind beschert.
Abbildung 3: US-Dollar erzeugt wieder Gegenwind
Einer der weiteren Gründe für die Abkühlung des Goldpreises war die Tatsache, dass aus den Daten der Internationalen Finanzstatistik (IFS) des Internationalen Währungsfonds hervorging, dass die Zentralbanken ihre Goldkäufe im April 2024 von revidierten 36 Tonnen im März auf 33 Tonnen reduziert hatten (die ursprüngliche Zahl für März lag bei 39 Tonnen, sodass auch die Revision den Preis belastete). Vor allem die People's Bank of China (PBOC) meldete einen deutlichen Einbruch der Goldkäufe. Nach Angaben der Bank stiegen die Goldreserven im April um knapp 2 Tonnen auf 2.264 Tonnen, während im Mai keine Käufe getätigt wurden. Vor April lagen die durchschnittlichen Käufe bei 18 Tonnen. Dennoch legt die PBOC nach dem Rekordhoch des Goldpreises unserer Einschätzung nach lediglich eine Pause ein und wird nun, da sich der Goldpreis abkühlt, die Käufe wieder aufnehmen.
Aus der Umfrage des Weltgoldrats unter Zentralbankern geht hervor, dass die meisten Zentralbanken in diesem Jahr mit höheren Goldkäufen rechnen als im letzten Jahr. Der Anteil der Befragten, die angeben, dass sie Gold zur Diversifikation gegenüber dem US-Dollar kaufen, ist im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen. 81 % der Zentralbanken erwarten für 2024 höhere Zentralbank-Goldbestände – gegenüber 61 % im Jahr 2022. Im Verhältnis zu den gesamten Devisenreserven (einschließlich Gold) gehen 69 % der befragten Zentralbanken davon aus, dass die Zentralbanken 2024 einen höheren Anteil an Goldbeständen aufweisen werden – gegenüber 45 % bei der Befragung im Jahr 2022. Nur 13 % erwarteten einen Rückgang – gegenüber 24 % im Jahr 2022. Interessanterweise erklärten keine Zentralbanken der Industrieländer im Jahr 2023, Gold als Teil einer Entdollarisierungspolitik halten zu wollen. Im Jahr 2024 gaben 6 % der Zentralbanken der Industrieländer an, dass dies ein politisches Ziel sei (Umfrage: 18 Zentralbanken der Industrieländer im Jahr 2024 und 11 im Jahr 2023). Das deutet auf eine Zentralbank hin – unseres Erachtens Singapur, da es im vergangenen Jahr ein aktiver Käufer war. Nur wenige Zentralbanken der Schwellenländer räumen ein, dass die Entdollarisierung ein Beweggrund ist (lediglich 11 % bzw. 13 % in den Jahren 2023 und 2024 bei einem Stichprobenumfang von 36 bzw. 39). Allerdings wissen wir, dass die Ereignisse des Jahres 2022 die Risikowahrnehmung der Zentralbanken in Bezug auf das Halten von G7-Währungen nach dem Einfrieren von Vermögenswerten tiefgreifend verändert haben.
Abbildung 4: Erwartungen der Zentralbanken hinsichtlich Zentralbank-Goldbeständen
Die weltweiten Abflüsse aus Gold-ETPs haben nun ein Plateau erreicht. China kauft nach wie vor Gold-ETPs im Rekordtempo. Chinesische Gold-ETFs verzeichneten im Mai einen Zuwachs von 1,8 Milliarden Renminbi (253 Millionen US-Dollar), womit sich die Serie der Zuflüsse auf sechs Monate verlängerte und das gesamte verwaltete Vermögen auf ein Rekordhoch kletterte. Trotz geringerer Käufe im Mai (3,4 Tonnen) als im April (16 Tonnen) war dies dennoch der zweithöchste Wert seit September 2023. Die Gesamtbestände belaufen sich derzeit auf 90 Tonnen – ebenfalls der höchste Stand aller Zeiten.
Abbildung 5: Chinas Gold-ETP-Bestände
Quelle: Weltgoldrat. Juni 2024. Die historische Wertentwicklung ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung, und Anlagen können im Wert sinken.