Eigenwillige Koalitionspartner: Was ist aus Investorensicht von Italiens neuer Regierung zu erwarten?
![](https://www.wisdomtree.eu/-/media/eu-media-files/blog/refresh-images/abstract-and-landscape/market-boards-and-graphs/market-board-1151x564.jpg?h=564&iar=0&w=1151&sc_lang=de-lu&hash=33F1993824FA8F36E993536315DE3110)
Der Populismus schlägt erneut zu. Aufgebracht über die Lage der Nation, stimmte bei den vor Kurzem abgehaltenen Parlamentswahlen die Hälfte der italienischen Wähler für eine der beiden größten Protestparteien. Die Fünf-Sterne-Bewegung erhielt 32 % der Stimmen, während sich die Lega von ihrem Status als Randpartei zu einem Ergebnis von 18 % aufschwang. Trotz ihrer gegensätzlichen Ansichten, haben die beiden Parteien eine Koalition gebildet. Was ist aus Investorensicht von Italiens eigenwilligen Koalitionspartnern zu erwarten?
Die neuen Partner
Die linksgerichteten wirtschaftlichen Ansichten der Fünf-Sterne-Bewegung verunsichern die Märkte. Der Aufstieg der Partei scheint einer der Gründe dafür zu sein, warum italienische Aktien in den letzten fünf Jahren schlechter abgeschnitten haben als europäische oder US-amerikanische Aktien1. Obwohl die Lega grundsätzlich rechtsgerichtet ist – ihre einwanderungsfeindliche Einstellung bestätigt dies sicherlich –, überschneidet sie sich beim Thema Wirtschaftspolitik größtenteils mit der Fünf-Sterne-Bewegung.
Die Koalition gründet sich auf einer Serie an linkslastigen Wirtschaftsmaßnahmen, wie etwa der Abschaffung des Gesetzes zur Erhöhung des Rentenalters, das 2011 eingeführt wurde, um demografische Trends widerzuspiegeln. Bringen wir dies in einen Zusammenhang: All dies passiert in einer Volkswirtschaft, deren Schulden sich laut dem Internationalen Währungsfonds 2017 auf 131,9 % des BIP beliefen, und in Zeiten, in denen eine Verlängerung der Berufstätigkeit in der Altersklasse der Senioren von Japan bis Kanada Priorität hat.
Könnte es zu Unruhen kommen?
Es ist wahrscheinlich, dass die Pläne der Koalition die Ausgabengewohnheit der Italiener noch verschlimmern wird – sie lag laut dem Internationalen Währungsfonds im Dezember 2017 bei 50,2 %. Der Ausgabenanteil der italienischen Regierung am BIP ist weltweit der siebthöchste – dabei wird wenig unternommen, um die Herausforderung anzugehen, aus einer schwachen Volkswirtschaft Steuereinnahmen zu generieren.
Neben der Besorgnis über die Staatsfinanzen Italiens wird befürchtet, dass das allgemeine Unbehagen zu Straßenprotesten und vielleicht sogar zu Gewalt führen könnte.
Eine potenzielle Parallelwährung
Große Sorge bereitet auf den Anleihenmärkten der Plan, Mini-BOTs zu emittieren, eine neue Art von kurzfristigen Schuldverschreibungen, die vorgeschlagen wurde, um dem Staat Geld einzubringen. Da die Inhaber von Mini-BOTs diese zum Kauf von Staatsdiensten sowie zur Durchführung verschiedener anderer Finanztransaktionen verwenden könnten, wären die Wertpapiere faktisch eine Parallelwährung neben dem Euro. Man kann sich vorstellen, dass der EUR/USD-Wechselkurs negativ auf ihre Einführung reagieren würde.
Die unschärferen europäischen Wirtschaftsdaten der letzten Zeit in Kombination mit der Sorge um Mini-BOTs auf dem Anleihenmarkt könnten dazu führen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Abschaffung ihres Anleihenkaufprogramms von monatlich 30 Milliarden Euro, das im September auslaufen soll, verzögern wird. Zurzeit gehen die Ansichten bei diesem Thema auseinander, weshalb wir über den Sommer hinweg auf Signale von Präsident Draghi und der EZB achten werden, die mehr Klarheit bringen könnten.
Drei Ideen für Investoren
Aufgrund der Anleihenkäufe durch die EZB haben die Renditen von italienischen Staatsanleihen bisher nicht viel Ausgleich für das gestiegene politische Risiko geliefert. Wir erkennen jedoch in mehreren Bereichen Anzeichen für Belastungen:
- Ausgewählte europäische Staatsverschuldungsmärkte, einschließlich Italien.
- Spreads für Credit Default Swaps auf italienische und spanische Banken; sie bleiben jedoch deutlich unterhalb der Höchststände der letzten fünf Jahre.
- Der Euro, der im Mai 2018 um 3,19 % im Wert nachgab. Wir sehen Potenzial für weitere Wertminderungen.
Angesichts dieses unruhigen Hintergrunds müssen Investoren auf der Hut sein. Im Folgenden diskutieren wir drei Ideen, die unserer Meinung nach Beachtung verdienen.
1) Absicherung des Währungsrisikos
Das Risiko, das sich aller Wahrscheinlichkeit nach durch die Portfolios internationaler Investoren ziehen wird, ist ein ungeschütztes Euro-Engagement. Investoren, deren Grundwährung nicht der Euro ist, können eine Risikoquelle in ihren Portfolios abmildern, falls der Euro weiter an Wert verliert. Andererseits können Investoren, deren Investments auf dem Euro basieren, eine zusätzliche Quelle für Renditen schaffen, indem sie einen Teil ihrer europäischen Aktien in US-Dollar halten.
2) Fokus auf europäischen Exporteuren
Trotz der Sorge um die Ereignisse in Italien zeigt sich das weltweite Wirtschaftswachstum weiterhin stabil – zumindest für den Augenblick. Wir sind der Ansicht, dass europäische Unternehmen, die den Großteil ihrer Güter und Dienstleistungen außerhalb Europas verkaufen, dadurch besonders interessant werden. Sie stellen eine attraktive Möglichkeit dar, um potenziell ein Engagement in global diversifizierten Unternehmen zu erzielen.
Der WisdomTree Europe Hedged Equity Index blieb im Mai im Grunde genommen unverändert – er umfasst exportorientierte Unternehmen; um eingeschlossen zu werden, müssen die Konstituenten über 50 % ihres Umsatzes außerhalb Europas generieren. In Abbildung 1 wird seine Performance mit dem nicht abgesicherten MSCI EMU Index verglichen, der aufgrund der Währungsschwankungen um 5,52 % nachgab.
Abbildung 1: Exporteure und die Unsicherheit in Italien
Quelle: Bloomberg. Zeitraum vom 18. April 2018 bis zum 1. Juni 2018. Ein direktes Investment in einen Index ist nicht möglich.
Die historische Performance ist kein Anhaltspunkt für die künftige Performance und jedes Investment kann im Wert sinken.
3) Auf Qualität abzielen
Ein weiteres Konzept, das wir in turbulenten Zeiten befürworten, ist ein Engagement in Unternehmen mit starken Bilanzen. Abbildung 2 zeigt die Performance des WisdomTree Eurozone Quality Dividend Growth Index, der in Richtung solcher Unternehmen gewichtet ist. Er lieferte im Mai eine Rendite von +2,9 %, der MSCI EMU Index verzeichnete hingegen -1,29 %. Der Unterschied bei der kumulierten Rendite zwischen den beiden Benchmarks seit Jahresbeginn beträgt fast fünf Prozentpunkte.
Quelle: Bloomberg. Daten 31. Dezember 2017 bis 29. Mai 2018. Ein direktes Investment in einen Index ist nicht möglich.
Die historische Performance ist kein Anhaltspunkt für die künftige Performance und jedes Investment kann im Wert sinken.
Eine unsichere Zukunft
Obwohl in Italien nun eine neue Regierung gebildet wurde, ist noch völlig unklar, wie sich die Situation mittel- und langfristig entwickeln wird. Angesichts dieser Unsicherheit sind wir der Meinung, dass eine Absicherung von Euro-Engagements, bei der exportorientierte europäische Unternehmen im Fokus stehen und auf hochwertigere Unternehmen abgezielt wird, in Betracht gezogen werden könnte.
Für diejenigen, die sich um den nächsten Zug der italienischen Regierungskoalition sorgen, möchten wir abschließend Folgendes zu bedenken geben: Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega haben die großen Volksparteien vor einem wirtschaftlichen Hintergrund gestürzt, der gemessen an internationalen Standards schwach erscheinen mag, für Italien jedoch im Kontext der letzten Jahre stabil ist. Investoren mögen die derzeitigen Pläne der Koalition als wirtschaftlichen Rückschritt betrachten, doch sollten sie sich dabei fragen: Welche fiskal- und/oder geldpolitischen Maßnahmen werden die Wähler fordern, falls sich die wirtschaftlichen Bedingungen verschlechtern?
1 MSCI Italy, MSCI Europe, S&P 500, 5/29/2013 – 5/29/2018. Source: WisdomTree, Bloomberg.